Christian Lorenz Müller
CHOR DER ZANGEN
Wir sind überall, wo Daumen und Zeigefinger
nicht mehr weiter wissen,
ich, die Spitzzange, die selbst das Winzelnde fasst,
ich, die Flachzange, die das heißeste Blech erschnabelt,
ich, die Rohrzange, die das Runde gewindig dreht,
ich, die Sprengringzange, die gekröpft die Löcher sucht,
ich, die Rundzange, die den Federstahl kurvig formt,
ich, die Beißzange, die so vieles zwickig trennt,
wir sind überall dort, wo hilflos plumpe Hände
nicht mehr weiter wissen,
zweihebelig gehen wir gegen die Grenzen
des Körpers vor, wir spitzen spezialistig,
sind allumfassend im konkreten Sinn,
suchen uns ins Winkelige, wir ecken,
wir kurven, sprialen, spreizen und kappen,
sind ein stahlgewordenes Verb,
wir bewegen uns stets um die simple Achse
der Greifbarkeit, wir differenzieren die letzten
Probleme des Seins in unseren vorderen Enden aus,
wir erfassten selbst Gott, gäbe jemand
den entsprechenden Auftrag an eine Werkzeugmacherei,
wir erfassten in Sekunden den Sinn
des menschlichen Lebens, wir experten überall dort,
wo Zeigefinger und Daumen
ratlos stumpf gegeneinanderstehn.