Gerald Koll

Zazen-Sesshin (45)

Was geschehen war? Dies war geschehen:

Den namenlosen Mönch hatte Regen bewogen, das Samu ins Innere zu verlegen. Er äußerte den Beschluss bester Laune. Eben noch war der namenlose Mönch in seinem drolligen Arbeitsanzug mit Jakobinermütze eine Zier jedes Gartens. Eben noch rechnete er nicht mit Barrikaden, Partisanen, Heckenschützen. Eben hatte Frau {Vorname} die Waffen ruhen lassen.

Dann schnitt die Schere pfeifend durch die Welt.

Jeder sei ja für sich selbst verantwortlich, sagte Frau {Vorname}. Sie war willens, trotz Nässe draußen Sträucher zu beschneiden. Hinter dieser Anfechtung liegen Jahrzehnte des Lebens und einundfünfzig Phasen in konzentriertem Zazen. Kaum erklärbar ist daher, wie sich Frau {Vorname} zur Zündung des Sprengsatzes in der Seifenblase des Rituals hat hinreißen lassen.

Frau {Vorname} muss wahnsinnig geworden sein.

12. November 2012 01:27










Gerald Koll

Zazen-Sesshin (44)

„Warum glaubt ihr mir nicht?“
schimpft der namenlose Mönch.
„Warum glaubt ihr mir nicht?“

12. November 2012 01:15










Gerald Koll

Zazen-Sesshin (43)

Das Wort „Liebe“ zu denken, freut sich der Sasse am letzten Morgen des Sesshin beim fünfzigsten Zazen und fällt in Träume, in denen ihm träumt, es ließe sich träumen ohne Bild und Bedeutung. Um ihn sind Matten, Wände in weiß und Latten aus Holz. Er denkt sich „Lieben“, bis er denkt „Sterben“, und gut und gerne gähnt er dann, und im Traum hört er die namenlosen Wörter eines Mönchs über Menschen.

28. Oktober 2012 10:32










Gerald Koll

Zazen-Sesshin (42)

Über die Grenzen und Linien von Feinden und Freunden, denn mag man sich irren im Lächeln der Delfine und Affen, so ist irrte man sich auch im Gegenteil. Echt ist es wie das Lächeln des Krokodils, das seine Zähne schlägt ins Gnu, das ausschlägt und zuckt zwecks Erhaltung des Selbst und dem Krokodil dennoch nicht grollt und dem hungrigen Leider neidet den Rang in der Nahrungskette, dort droben im Schlamm.

28. Oktober 2012 10:31










Gerald Koll

Zazen-Sesshin (41)

„Der Mensch …“, hub an der namenlose Mönch, doch enthoben war der Sasse und dämmerte hinweg über Linien und Grenzen ins Weite und Breite, über den Ring aus Schlamm und Schaum, geschlagen von einem lächelnden Delfin, der im flachen Gewässer einen Schwarm umkreist, bis die Fische über die Ringmauer in die Freiheit springen, in die lachenden Schnäbel einer Bande Delfine, die einen Ring bildeten um den Ring.

28. Oktober 2012 10:30










Gerald Koll

Zazen-Sesshin (40)

Ausklang zweielf Einklang zweizwölf, Einklang und Ausklang sind eins.
Viel hat der Sasse gesessen und Dielen gelesen, dass er dieses Ei legt.

Munterkeit spürt er, mit dem Tode zu handeln, um zu richtiger Zeit und in heiterem Umstand den Kult zu beleben, das Salböl zu reiben, den Atem zu enden, so ruhig ist der Sasse am letzten Morgen des Sesshin nach erstem Sitzen um sechsuhrundsechs. Die Rufe der Eulen und Käuze im Wald hallen im Körpergewölbe ohne Geweide, geräumt für Samen und Flechten, Weihrauch und Fette, Zederharz und Bienenwachs. Und einzwei Korn Pfeffer.

Immer noch wachsen aus Dielen Gesichte, Anker und Reis. Er lässt sie wachsen.
Hört er ein Kratzen, spürt er ein Jucken. Die Wirkung überlässt er den Ursachen.

7. Oktober 2012 08:12










Gerald Koll

Zazen-Sesshin (39)

Geknickt ist nur das Knie, geknicktes Knie, du bist ein Knie, sonst nichts.

Geknacktes Holz im Ofen, knack nur, Ofenholz, öffne dein Haar für mich.

Geknirsche in Gedärmen, windet euch, windjammert und segelt im Wind.

Denn wir Sassen fasten von Fettlebe, lauschen nach Gehölz und Geweide.

Wir Sassen, wir jauchzen im Schweigen, wir schwelgen in Brei und in Tee.

Freiwillig eingegeiselt weben wir Webstühle zu weiterer Sesshaftigkeit. Da

29. September 2012 18:15










Gerald Koll

Zazen-Sesshin (38)

War einmal eine Bambusvase, begann der namenlose Mönch zu seinen Sassen. Von höchstem Wert, so der namenlose Mönch, sei das Gefäß gewesen, und so hoch sein Wert gewesen sei, so tief war die Bestürzung eines Gastes, der einen Sprung bemerkte. Beschämt kniete er vor dem Besitzer, den Makel zu nennen. Der aber sprach, im Sprung bestehe doch der Wert: Er besäße die einzige Vase, aus der Wasser fließe.

Wer dieser Gast gewesen sei, fragte sich blinzelnd der schweigende Sasse. Ein Entleiher oder ein Betrachter? Der Sasse sagte sich, ihm muss entgangen sein, ob der Sprung seit jeher in der Bambusvase gewesen und dem Bewunderer lediglich aufgefallen sei oder der Entleiher den Makel verschuldet habe. Und nicht ganz sicher war der Sasse, ob der namenlose Mönch den Teil übersprungen habe. Dem Mönch entging nichts.

24. September 2012 14:01










Gerald Koll

Zazen-Sesshin (37)

Im namenlosen Garten schweben unterirdisch zwischen Fältelungen vieler Zeiten
vierdimensionale Spinnennetzkugeln, bewacht von einem namenlosen Mönch, der
die Gespinste bändigt. Das erste Seufzen nach dem Schweigen wird, sie wissen es,
ins Webwerk fahren wie ein Sturm, wird es zerreißen, wie sie wissen. Die Kugeln

könnten, wenn
sie wollten, sich
verständigen
auf einen Pakt:

des stummen Scheidens auf dass sich ihnen Gewebe erhielte
und es unbeschadet tragen ließe ins Dadraußen
wo die Spinnen weben als Wächter der Flächen
sind es siebzehn Stunden bis die dritte Dimension verschwindet

und zusammen
mit der vierten
verkürzt wird
auf die zweite

15. September 2012 11:44










Gerald Koll

Zazen-Sesshin (36)


2011/12/30 19:14:06-19:14:35 Im namenlosen Garten

… und der Übermut ihn in seiner Übung überrollte und verführte, Visitenkarten auszutauschen! Unbesonnenes Zukunftszüngeln! Voreiliger Gegenwartsbeschluss! Wohin verrannte sich der Kippelnde in sturztrunkenem Vorgriff!

Fort, fort, schnell hinaus in den namenlosen Garten, hingelegt und hochgeschaut in die Lichtreflexe verglühter Vorvergangenheiten und Visiten abgestattet einer Zeit, die keiner Lebenden gewärtig war und meditierte in sich selbst … !

9. September 2012 11:23