Mirko Bonné
Fast haben wir es gesehen, das Licht,
ein Licht, wie es den Blitzen vorausgeht,
fast war es ein leuchtendes Stocken, oben
am Himmel, über den es da so zuckte,
mit seinem magnetischen Laub
fast ein elektrisches Geäst.
Als die Stille und die Ruhe dann
fast wiedergekehrt waren, haben wir sie
gehört, nahezu alle, die Vögel, die Dohlen,
fast glaubte ich, es werden Krähen sein,
nur wenn, dann wie zersprengte, denn
fast wirkten sie einzelgängerisch,
wie sie in Pulks, so als wäre
oben in kühler Luft ihr Schwarm
fast zerrieben worden, herabtrudelten
ins Tal mit dem Gasthof zum grünen Baum,
fast als hofften sie bei uns Zuflucht zu finden,
ja als meinten sie uns! Wir blickten einander
wie Liebende in die Augen. Ergreifend war,
fast zu schön, die Innigkeit mit den Dohlen,
Einhelligkeit mit ihrem schwarzen Blitzen,
das zerplatzt war jenseits der Blicke,
fast aber war es Reden mit uns,
das Licht, die Stille, der lange Tag.
Fast war er zu Ende, und es war gut,
zum Schluss beinahe glücklich,
fast ein glücklicher Tag.
*
1. Juli 2016 12:42
Mirko Bonné
Regenprasseln. Das Himmelsgeld!
Kommt wer von Norden ins Dorf,
hört man es: So klingt der Verzicht
auf das Zugrunderichten der Welt.
Kommst du von Norden ins Dorf,
trinken alle kalten Johannisbeertee
und erfinden im Glas Fische aus Licht,
damit es, ohne Bogen, Regenforellen gibt.
Wer noch Fragen hat und Antworten liebt,
öffnet Briefe im Freien, blickt versunken
auf seine Faust: Muster aus Schorf.
Wir liegen im Feld. Und lesen:
Einer ist hier gewesen,
der ist in einem fernen Meer ertrunken,
lebte davor aber lange in dem grünen Haus am See.
Komm mit! Wir laufen nach Norden, und später zurück ins Dorf.
*
13. April 2016 09:29
Mirko Bonné
Auf den Hecken wildes Schimmern,
Raureif. Und die Sternen gehen unter,
gehen wandern und leuchten auf fernen
Bahnen, den Zeilen am Himmel. Fasane.
Greif hörte ihr Rufen, aber bei Gryphius
verstecken sie sich zwischen Bildern.
*
25. Februar 2016 12:59
Mirko Bonné
Wenn wir über die Wäldergrenze hinausgingen,
in die freien Ebenen, an die Flüsse. Wenn wir die Städte
und das Land hinter uns ließen. Wenn wir nicht darauf achteten,
wer mit uns käme. Wenn da ein Licht wäre, und wäre es nur
ein vorgestelltes. Nur? Wenn die Geschichte einfach
endete. Wenn endlich Geschichten anfingen!
Eine Betriebsanleitung, ein Evangelium,
eine Dichtung, eine Scheidungsvereinbarung,
ein Verschweigen, ein Gesetzesentwurf, wenn alles das
eins wäre. Wenn wir Wyoming befreiten. Wenn die Unwirklichkeit
in Wyoming aufhörte. Wenn die Zuneigung zurückkehrte.
Wenn die Zuneigung zurückkehrte mit den Fischen.
Wenn alle die Fragen wohin, wodurch, wonach, welche,
weshalb und wann die Antworten ersetzten. Und wenn alles
mit einem Mal bliebe. Hier, dort. In Wyoming, überall. Ohne Ursache.
*
15. Februar 2016 21:07
Mirko Bonné
Ein junger Arzt sagt achtlos
deiner Tochter, die erschrickt:
„Der Tod seiner Frau, laut Akte
ist das kein halbes Jahr her.
Ein Glück, er erinnert sich
an nichts, weiß davon nichts.“
Aber wer weiß schon, hm,
was du spürst, was du
verstehst und welche
Bilder dir als wilde
Möwen um die Augen
segeln? Der Augensommer,
die Kirschbäume, die Wolken,
so weiß wie Krankenschwestern
im Klippengarten bei La grève blanche.
Natürlich, alle müssen wir sterben, solange
keiner den Tod in Frage stellt. Jede Liebe
ist ein Anker, und dein Körper, Claude,
weit oben auf der Oberfläche
der schwarze Rumpf,
treibt dort und dreht sich,
als wäre Wind aufgekommen.
Aber sieh doch das Erschrecken.
Diese Frau, die weiterlebt, weißt du,
das ist nicht deine, sie ist zur Hälfte
aber aus dir, deine Tochter ist sie,
und sobald du davontreibst,
hält sie alle davon ab,
dich aufzuhalten.
*
5. Februar 2016 11:10
Mirko Bonné
Auf dem Parkplatz drüben, der Mitte
des grauen Morgens, lehnt eine Frau
mit Wintersonnenbrille an ihrem Auto.
Sie raucht hastig. Sie scheint zu warten.
Nur kommt keiner. Und es wird nicht hell.
Leichter Sprühregen, in dem sie ausharrt,
in die kahlen Wipfel zu den Krähen blickt,
auf ihre Uhr aus Gekrächz und Gekrächz.
Der Augenblick, vorbei. Der Paketdienst
liefert Pakete. Aus einem roten Reisebus
mit spanischem Schlachtruf an der Flanke
steigt ein Blasorchester. Worauf warten?
Such keinen Ausgang, such den Eingang.
Jeden erwartet viel Besseres als Träume!
*
4. Januar 2016 13:09
Mirko Bonné
Dub? Dahin geht es
bergan, bergauf, bergan,
so kommst du nach Dub.
Nur was anfangen da?
Da endet bloß alles.
Dort gibt es ja nichts,
es ist alles aus in Dub,
Dub ist selber nichts.
Es ist nicht Žrnovo.
Es ist auch nicht Brno.
Dub war noch nie Dubrovnik.
Wer nach Dub kommt, fragt sich:
Das hier also soll Dub sein,
dieses durchsichtige
dubiose Dunkel?
Duplizier Dub,
und du bekommst
nichts, du kriegst
nur Dub. Aber gut, los,
geh nach Dub! Dub wird dir
zeigen, wie es ist: Dub!
Dub ist, wie du bist.
Also bist du Dub?
Du musst Dub sein.
*
18. Dezember 2015 15:14
Mirko Bonné
In den hohen Oliventerrassen,
wo Lavendel wächst, Fenchel, Majoran,
wenn du zwischen den Steinzäunen hindurch
dort in den Mittag wanderst, achte
auf den hornissengroßen Vogel
oder Fastvogel, Schwärmer,
sein Schwirren
von Blüte zu Blume,
Blume zu Blüte. Im Flug
taucht sein Schnabel in alles
bunte Offene, in jeden Lichtmund,
und es gibt für ihn keine Sonne, keine,
die zu schwach wäre. Lass Falter gaukeln!
Schwarze Raupe steigt vom Dach
des Trafostanicahäuschens
ins leuchtende Gras,
wartet auf nichts,
erwartet nichts,
geht und ergeht sich
mit einem Schwarm Luft
trinkender Fische als Beine. So
solltest du vielleicht auch gehen? Ja.
Komm und bleib eine Weile, bevor du
unten am Hafen verschwindest,
wo die Lastwagenfähre
lautlos die Bucht zerteilt und
im Schatten die Kräutergärten schlafen.
*
10. Dezember 2015 13:51
Mirko Bonné
PEGIDA NACH ALEPPO!
PEGIDA NACH ALEPPO!
PEGIDA NACH ALEPPO!
PEGIDA NACH ALEPPO!
PEGIDA NACH ALEPPO!
PEGIDA NACH ALEPPO!
PEGIDA NACH ALEPPO!
PEGIDA NACH ALEPPO!
3. November 2015 18:27
Mirko Bonné
Zeit war es, dass es Zeit war?
Nie war’s Zeit gewesen, nie
würde es Zeit werden. Es war
die Zeit der Spinne, der Schlange.
Sie waren Mauereidechsensekunden,
diese Minuten des Hundertfüßlers, und
wurden endlich zur Heuschreckenstunde,
zu den Zikadentagen. Im Jahr der Agave
lehnten wir schlafend in der Macchia
an einem entzweigegangenen Boot.
*
6. Oktober 2015 15:01