Thorsten Krämer

Code connu

IX.

die Drohgebärden einer Abreise

die Regenwald vernichtende Rechnung

dein im Dunkeln leuchtender Kuli

ansonsten ein Zug, der nicht hält

das Schweigen einer Privatisierung

ein Pfeil, dessen Spitze relativiert

dein angeborener grüner Pullover

eine unbeworbene Matinee

ansonsten ein leichtes Kaliber

die Grundlegung einer Geheimsprache

deine interaktive Tasse

11. Dezember 2010 14:29










Thorsten Krämer

Code connu

VIII.

während einer musikalischen Pause

deine sich reibende Übersicht

die vorwärts geneigte Ablenkbewegung

ein Sessel, der Wärme als Rache auffasst

deine indianisch anmutende Feinfühligkeit

während des maskierten Gesprächs

eine verwunschene Systemkritik, ein Gefälle

im Urgrund einer entblößten Theorie

das charmante Gestammel der Anführer

deine sonnengebräunte Nonchalance

die Unbedenklichkeitserklärung einer Nacht

während die Sterne ein Kopftuch tragen

mitten im Wahn eine stille Figur

eine Ansicht, die langsam verschwindet

28. Oktober 2010 17:51










Thorsten Krämer

Code connu

VII.

die Biographie einer Fernbedienung

deine grimassierende Brust

ein Gewissen mit dritten Zähnen

ohne die Möglichkeit einer Anzahlung

dein nanotechnisches Grübchen

mit den Vorteilen einer verbesserten Bremsung

das Gezwitscher, das im Netz nicht zu finden ist

dein dem Lehrbuch entnommenes Ohr

ohne vorzeigbaren Terminplan

die Blusenhaftigkeit dieser Berührung

ein mit Kusshand begrüßter Klamauk

ein Sonderfall, die einsame Facette

im Gewahrsein einer Bananenschale

ohne Taxi, dessen Problem ungelöst bleibt

die tränenreiche Umkehrung des Prinzips

der jedes Gähnen verklärende Scharfsinn

dein bilanzierender Rücken

19. September 2010 00:00










Thorsten Krämer

Code connu

VI.

die Predigt gegen die Mittagshitze

damit die Postkarten flugfähig bleiben

ein Wort, dessen Sinn einen Hut trägt

deine in der Ambulanz behandelten Schulterpolster

ein Gewinde mit eingeschränkter Akzeptanz

dein aufblasbares Bücherregal

damit jeder einmal in Höhenangst watet

unter dem Eindruck einer Erregung

die simultan applaudierenden Empfindungen

neben dem Überrest eines Anstands

dein postfeministisches Mischpult

der Doppelstecker, die aufgeladene Phase

damit das Uhrwerk koloriert wird

ein Imbiss unter bereinigtem Himmel

eine zarte, kluge Überforderung

deine schwerbehinderte Haarspange

ein Lächeln, das keine Briefmarke braucht

damit der Handtuchhalter ein Entzücken spürt

die telefonisch bestellte Umnachtung

dein telepathisch begabter Schlüsselbund

11. September 2010 13:53










Thorsten Krämer

Gewalt

Liebe Sylvia, ich habe mir nur diesen einen Aspekt herausgepickt, weil ich denke, dass diese Forderung kontraproduktiv zu dem ist, was du eigentlich willst. Alles andere unterschreibe ich sofort. Aber mit der Gewalt ist es in unserer Gesellschaft so, dass sie keinen Platz mehr bekommt, sie ist nicht vorgesehen und darf nicht sein. (Gleichzeitig wird jedoch in der Wirtschaft eine ganz ungeheure Gewalt ausgeübt!) Aber Gewalt lässt sich nicht wegerziehen, sie ist ein Teil des Lebens. Gerade deswegen bricht sie sich ja immer wieder Bahn. Wenn man das akzeptiert, kann man einen realistischen Umgang mit Gewalt entwickeln. Zurzeit ist der Umgang mit Gewalt aber hysterisch, und das führt dazu, dass zum Beispiel Jungen kaum noch Erfahrungen mit Gewalt machen können. Wenn sich Jungen nicht prügeln können, haben sie keine Gelegenheit, die Realität der Gewalt zu erfahren, und damit geht ihnen das Maß verloren. Deshalb treten Jugendliche heute eben auch dann noch weiter, wenn der andere schon am Boden liegt.
Natürlich sollte eine gewalttätige Konfliktlösung niemals die erste Wahl sein, aber es ist auch ein Trugschluss, sie ganz auszuschließen. Die Gewalt wechselt dann nämlich einfach nur das Medium, es wird nicht mehr geschlagen, sondern gemobbt. Wenn heute ein Schüler gemobbt wird und sich dagegen zum Beispiel mit den Fäusten zur Wehr setzt, dann gilt er als auffällig. Dabei waren die anderen vielleicht einfach nur subtiler und haben die Doppelmoral der Gesellschaft besser verinnerlicht.
Wohlgemerkt: ich beziehe das nicht auf die Nazi-Schläger, von denen du schreibst. Die haben ihre ganz eigenen Gründe für ihre Gewalt. Aber du hast im zweiten Teil deines Textes die Thematik ausgeweitet, und da, denke ich, liegen die Dinge doch ein wenig anders.

30. August 2010 01:18










Thorsten Krämer

Kindergärten

„Was, wenn es schon in den Kindergaerten ueberall im Land eine gezielte kindgerechte Erziehung zur Gewaltvermeidung und zur Solidaritaet mit Angegriffenen gaebe“

Genau das gibt es doch. Wenn heute im Kindergarten ein Dreijähriger einen anderen Dreijährigen haut, werden die Eltern angerufen. Vielleicht ist GewaltVERMEIDUNG gerade ein Teil des Problems? Gewalt ist in unserer Gesellschaft doch schon längst tabuisiert, und solche Exzesse sind genau die Folgen.

30. August 2010 00:02










Thorsten Krämer

Code connu

V.

dein klingender Mut zur Abstraktion

wo Käsebällchen eine Verirrung wären

die unüberlegte Konsistenz einer Ader

ein Tagtraum von lässiger Brillanz

das Angebot, das im Außen bleibt

deine zäh rotierende Kraft

die Hinwendung, eine schweigsame Gabe

wo Insekten keine Alternative bilden

das Fleisch einer wackligen Architektur

deine logozentrische Hartnäckigkeit

ein Müll, der süß und nahrhaft ist

Gewehrsalven über dem See

wo eine Anstrengung nicht gesehen wird

dein absichtsvoll fingierter Unernst

die Umgangsformen eines Stiefels

eine Annäherung an kleinlaute Zeiten

der Tritt gegen geschminkte Gewässer

wo die Akkuleistung verhandelbar wird

im Sog einer spielerischen Tendenz

die rückhaltlose Sichtbarmachung

dein fettreduzierter Sicherheitsabstand

das Geheimnis, das im Bunten bleibt

eine schlafwandlerische Geschwätzigkeit

27. August 2010 15:12










Thorsten Krämer

Code connu

IV.

der Sollbruch der fortgeschrittenen Zeit

wenn Tanzschritte einer Tragik weichen

die hundertfache Anfeuerung

ein Rückzugsraum unter den Fingern

deine pazifistische Kniekehle

unter den vorgerückten Umständen

eine schimmernde Echolalie

wenn Kleidung ihre Funktion verliert

dein Ellenbogen, eine Deportation

die Summe der ausgelassenen Sätze

der Tag, den keiner beginnen will

mit der Schuld eines anderen Anzugs

wenn Sachlichkeit das Symptom ist

die Fragestellung eine Zumutung

deine die Wahrheit sagenden Füße

ein Flug durch sagenhaftes Gelände

das Medium einer ziellosen Botschaft

wenn Elektronen zu Freunden werden

die maximal bereite Verwandtschaft

das Hundeglück, eine Vervielfachung

dein hochtouriger Nacken

in der Hoffnung einer Korrespondenz

zwischen kommunizierenden Tasten

das Zeugnis eines verhinderten Parks

deine schonend verzierten Waden

ein Sommer ohne Drastik

16. August 2010 02:15










Thorsten Krämer

Code connu

III.

was von Allem Vieles sein könnte

der Durst einer verzögerten Attraktion

die Hülle, die sich Fingerkuppen leistet

dein quantenmechanischer Bleistift

eine Faszination, das Lot dieser Stunde

was im Zusammenhang sich entfernt

dein glutenfreies Verbandsmaterial

dein Papier, eine unverkeilte Begegnung

das Abendrot dieser Aufwärmphase

im Übergang eines schläfrigen Tuns

was hinterrücks ein Begreifen wird

diese unversuchte Nebenmenschlichkeit

Silhouetten einer abgebrochenen Nähe

im Manuskriptstadium einer Intervention

deine in eine Handtasche passende Wohnung

ein Gebiet, dessen Karte ein Telefon ist

was immer schon ein Warten ermöglicht

deine so schön emeritierte Moral

der Overkill der Unvereinbarkeit

auf den Schultern eines verspannten Giganten

dein friedfertiges Reisenecessaire

zwischen den Trümmern einer Ankunft

was mit jedem Klick sich verändert

die Sehnsucht hinter der Verlausung

ein Zebra, das von Interferenzen träumt

deine an Willkür grenzenden Schuhe

mit dem Humor einer kindlichen Lektüre

das Unvermögen einer abgetrennten Lehre

dein Zimmer, ein Ort der Omnipräsenz

10. August 2010 01:12










Thorsten Krämer

Code connu

II.

um einem See zu entkommen

ein Steinschlag vor versammelter Mannschaft

deine anspruchsvolle Transparenz

im Augenblick einer Trägheit

woanders werden die Hunde gefüttert

deine Spur, ein markantes Gewese

um mit anderen Zungen zu sprechen

die hingebungsvolle Klarheit der Luft

ein zahnloses Flirren, die Überlegenheit

am Ort einer sich schützenden Not

dein optimierter Re-Boot-Prozess

um mit hängenden Armen Musik zu machen

eine irregeleitete Lorelei

die Gestalt einer schwankenden Kiefer

im Traktorstrahl einer schönen Vernunft

deine schwer atmende Mutwilligkeit

ein Gelenk, das dir Almosen spendet

die Krankheit der wenigen anderen

um noch einmal eine Szene zu machen

ein Depot der hingeworfenen Sätze

vor dem Hintergrund einer stummen Lawine

deine stets aufrechte Ahnung

im Vorübergehen, das Aufflackern

um die Sinnhaftigkeit zu vertuschen

dein noch immer vorhandener Stillstand

die Jugend einer schüchternen Großtat

eine Hand, die ein Gähnen nur antäuscht

neben dem Bild einer Mauerecke

die Ungewissheit, der abstrakte Körper

in der Durchführung eines Manövers

um alle Zinsen zu zerstören

dein goldenes Angewinkelt-Sein

4. August 2010 10:48