Gerald Koll
1. Januar 2016, ein Freitag
Unter Vermeidung jeder Geselligkeit verbrachten Frau S. und ich Abend und Nacht in meiner Wohnung. Fröhlich ins neue Jahr gevögelt. Dann vom Bett aus durch das Fenster über den Balkon ins Feuerwerk geschaut und sanft geschlummert bis 2 Uhr. Dann in der Küche gegessen.
Tags um den Weissensee spaziert und zwei Origami-Kraniche ausgesetzt, beschrieben mit folgenden drei Wünschen: (…).
1. Januar 2017 10:24
Christian Lorenz Müller
Nur für Minuten
Lichtreif im Himmel bevor
Dunkelheit ihn taut.
1. Januar 2017 00:51
Gerald Koll
31. Dezember 2015, ein Donnerstag
Gestern dokusan beim Sensei: Wie sich der Aikido-Geist in den Alltag übersetzen lasse und wie sich dieser Vorgang bei ihm vollzogen hätte: auch bei ihm in Stufen; in Stufen des Sich-Spürens; nicht als linearer Vorgang, sondern in kleinen aber spürbaren Momenten, in denen ihm deutlich wurde, dass er sich spüre. Zu meinem Aikido: raus aus dem Arm, hinein in die Hand. 287 Aikido-Trainingseinheiten im Jahr, also 5,5 Einheiten pro Woche. Und gleichzeitig spürte ich jetzt beim Winter-Lehrgang ein krisenähnliches Phänomen, eine mentale Erschlaffung, eine etwas sieche Neugier, die derzeit nicht erfasst ist vom Reiz der Prüfungen, der Techniken, des Austobens. Sensei hat mich am ersten Lehrgangs-Tag einmal nach vorn geholt, die harte Schulter angemahnt und an den folgenden Tagen nicht wieder nach vorn zitiert.
Nachmittags zum Kaffee bei der Nachbarin G., die ich in ihrer rustikalen Ostberliner Art sehr mag. Sie berichtet Erstaunliches: Geister frisch Verstorbener sitzen beizeiten auf ihren Balken und streuen Blüten; ein andermal laufen leere Schuhe durch ihr Wohnzimmer. Dann, beim astrologischen Gutachten, das ich gefasst hinzunehmen mir vorgenommen hatte, wurde sie sehr ernst: oh, zweimal Uranus … sie lenkte das Gespräch dann aber versöhnlich zu weniger Fatalem und fragte, ob mich meine Reiselust auch nach Indien zöge, wo es ja Leute gäbe, die über uns Erdenmenschen zusammengerollte Blätter liegen haben, in denen alles über unser Leben verzeichnet sei, weil wir ja alle mit Aufgaben versorgt seien. Ja, alles sei dort verzeichnet, eben der ganze Lebenslauf, auch das Sterbedatum. Sie gab mir zwei Berliner mit.
31. Dezember 2016 19:05
Björn Kiehne
Es gibt Gedichte,
die aus dem Asphalt aufsteigen,
von dort, wo gerade jemand stirbt.
Sie mischen das Abgas
mit den Gedanken derer,
die verschwinden.
Ich lege Blumen
in die Luft,
für alle,
die sterben;
für alle,
die töten
und nicht wissen,
dass sie selbst
ihr erstes Opfer sind.
29. Dezember 2016 05:20
Markus Stegmann
eines
eines
tages tages
tages tages
tages
eines eines
tages
tag tag
tick tack
tages
eines
bist
du und du
bist
du
eines bist
du
tick tack tages
eines bist
du
bist du
tick tack
tages
sind wir du
und du
und
eines
bist du
du
bist du
zurück
28. Dezember 2016 00:09
Gerald Koll
27. Dezember 2015, ein Sonntag
Vom Traum heute Morgen weiß ich lediglich, dass ich mich an einem Waldrand befand und mich dort im Gehölz versteckte, vermutlich vor H.H. (sein Name fiel vorgestern, obwohl ich seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr zu ihm habe). Ich blieb versteckt, allerdings mit einem klammen, nicht leicht zuordbaren Gefühl, das ich auch jetzt nicht klar definieren oder begründen kann.
27. Dezember 2016 19:44
Gerald Koll
26. Dezember 2015, ein Sonnabend
Vorweihnachtsmomente mit Frau S.: metamorphotisches Plätzchenbacken zu Ovid. Meine glasigen Geständnisse, welche Ersteindrücke mich von ihr anfangs ferngehalten hatten, haben Frau S. getroffen, und sie möchte nicht mehr davon. Mir ist nicht ganz klar, ob solche Bemerkungen entschärfend oder entzündlich wirken.
Heiliger Abend: Bis 2 Uhr morgens trank und sang die Großfamilie im Haus von Schwager Wietzke in Weddelbrook.
Heute Morgen, halb noch träumend und halb erwachend, hielt sich ein Satz im schlafselig vernebelten Kopf: „Im Träumen fügen sich die Teile zum passenden Puzzle.“ Umgehend peinlich berührt davon, im Austräumen für höhere Erkenntnis zu halten, was sich im Wachzustand als Warnung vor törichter Traumgaukelei liest.
26. Dezember 2016 13:55
Thorsten Krämer
Der Moment im Café, wenn zwischen zwei Gabeln Kuchen
das Grundrauschen in den Vordergrund kippt, als wäre dies
die Aufgabe der Gäste: die richtige Atmo, das akustische
Design deines Aufenthaltes hier, als spielten sie das alles
nur für dich, und dieses Innehalten gerade ist der kritische
Moment, in dem der Schwindel aufzufliegen droht, weswegen
du jetzt schnell den Kuchen weiter isst, damit niemand umsonst
hier gewesen sein wird.
22. Dezember 2016 13:38
Gerald Koll
22. Dezember 2015, ein Dienstag
Erleichtert sah ich sie ziehen, das zernagte Blumenmädchen und ihr fleischfressendes Pflänzchen. Danach mit Frau S. in die Arno-Schmidt-Ausstellung: ein Raum als Kartei aus 100 Stelen mit 100 Aspekten, mit Anmerkungen, Zeugnissen, Fundsachen – ein großer Zettelkasten, in dem wir stöbernd rumspazierten. Aikido schwänzend zu Bette.
22. Dezember 2016 11:33
Konstantin Ames
O nein, jetzt kommt die manische Phase. Wäre bloß dumm Kai.
Wäre der Super Mario der Poesi’ch, dann müsste mal Kai …
ist aber – Häute – süddeutlicher Gesänger Pfennig.
Soviel bedeutet das. Vor allem aber süddeutlich.
Wer nie sein’ Höld mit zwanzig las, der braucht Ist das
jetzt eine Anzeige der Leber? Höhö. (Frage aus Dormagen-Umland)
in jungen Jahren schon ein Taschentuch. Kennt nicht den
Unterschied von Freude und Freudigkeit. Verreckt daran. Also
wirklich, Kai (zu viele Bilder), Kain,
das Miauen der Bluthunde versteht nicht der eitle Referendar.
Wie könnte eine Prüfung je durch die Knie gehen?
Kai versteht auch das nicht. Kain nichts mehr! Hans Paul!
Tigerkrüppel! Warte. Waren’s nicht Triggerknüppel?
Kai ging nicht vor den Zaun. Davor hatte Kai Angst.
Und davon hat Kai eine Spracke, Kain.
Tigerkrüppel liegen im Hotel und riechen händig
an Triggerknüppeln, denken an apfelgroßes
Politisches in Soße
[Quellheiligtum Sudelfels]
Wir leben unbefreit, nein? Heißt hier jemand Luzifer? Im
Stutengarten, bespannt mit freiem Willen, der Gewaltgene
O gedenk Not my cup of tea. (Sinclair)
des Geschenks? Nö. Des Gesangs? Macht Kai Angst.
21. Dezember 2016 14:28