Hendrik Rost

JuDo

Der Sohn, fünf Jahre alt, fragt mich, ob ich Judo kenne. Klar, sage ich. Kennst du auch YouTube, fragt er weiter. Ja, kenn ich auch, sage ich. Woher kennst du das denn, frage ich. Er: Oh, kennt doch jeder!

18. Februar 2015 20:37










Mirko Bonné

Symi

Überall der Müll des Sommers,
auf jeder Böschung eine Plastikpracht.
Weggeschmissen, plattgetreten, liegen-
gelassen und vergessen die Verpackungen
von mal Dagewesenem, nur nie Zurück-
gekehrtem, Flaschen in allen Farben,
rostzerfressene Dosen, verwaschen eine
Tasche oder zerrissen ein Koffer. Seit Jahren
am Straßenrand abgestellte Autos, Wracks, halb
ausgeschlachtet, halb verfallen, eingekackt, verölt,
beschmiert. Du gehst in die Hocke, als dir auf dem
Asphalt etwas Helles ins Auge fällt, und blickst ein
Götterpüppchen an, das nur einen halben Kopf und
keinen Körper mehr hat, dafür aber auf den Lippen
Aphrodites Lächeln. Im vertrockneten Gras liegen
in Schichten übereinander die Überreste dessen,
was nicht hineinzustopfen war in die Felsspalten
und Nischen der Mauern und der Wände aus
wieder und wieder, wieder und wieder
verbauten Brocken. In Bäumen
gekappte Leitungen, Kabelgezweig.
Am Strand eine Zahnbürstenflut, Schaum
aus Verschlüssen und Deckeln, Kappen
und Stiften, Senkeln, Knöpfen
und verblassten, blinden
Stofftieraugen.
Auf dem griechischen Eiland Symi
nur ein paar Seemeilen vor der türkischen
Küste steht in der Oberstadt des Fischerhafens
ein Haus, dessen Dach, Zimmerwände und Fußböden
wurden von einem das aufgegebene Gemäuer
nach und nach einnehmenden Baum gesprengt.
Die schöne, tief dunkelgrüne Feige wächst wild auf
Unrat und Müll, der zu den Fensterlöchern hinein-
geworfen wird – wie in einen Schacht, in dem
Verfallenmüssen und Leere zusammenfinden
und Zeit und Tod vergehen vor lauter Leben.

*

15. Februar 2015 23:33










Tobias Schoofs

VARIATION AUF CATULL

wenn ich so erfüllt sein könnte
wenn ich mit dir spiele wie sie
wenn sie mit dir spielt · mein spatz

sie lacht übers ganze gesicht
wenn sie mit dir spielt · mein spatz
mir aber ist das kein trost

es ist ein fader ersatz für anderen
ersatz der wieder etwas ersetzt
ich höre nicht auf hinüber zu schielen

doch sie veranlasst scheinbar nichts
den gürtel zu lösen sie spielt
in gedanken mit dir · mein spatz

und du verweist auf was · mein spatz
bist du denn nichts als du

8. Februar 2015 13:57










Björn Kiehne

Einige Worte über den Regen

Es ist noch weit
und der Himmel reißt,
dieses Tuch mit gemalter
Sonne, Wolken, Sternen.

Wie wäre es,
durch die Luft zu fliegen,
nicht mit jedem Schritt
Staub aufzuwirbeln –

wer bin ich denn noch,
wenn hinter dem Horizont
nur ein weiterer wartet?

Aber der Regen kommt,
ich öffne den Mund,
lasse die Wörter trinken,
so dass sie zueinander finden,
Sätze bilden, von mir erzählen.

Jetzt tanzt er auf meinem Scheitel,
tropft in meine Gedanken;
mein Kopf läuft voll – ein Ozean,
in dem sich die Knoten lösen,
in dem die Erzählfäden frei schweben.

Seht, ich gehe mit dem Regen fort,
weit weg, an einen sicheren Ort.

(Anuradhapura, Januar 2015)

6. Februar 2015 14:45










Markus Stegmann

5

fünf fürs verirren
fünf fürs verblühen
fünf fürs verlieren
fünf fürs verwehen
fünf fürs vergessen

fünf für rebecca

4. Februar 2015 23:10










Mirko Bonné

Ja, der Schnee

Ja, in schwarzer Nacht
hat es endlos geschneit!
Und am Morgen da kam
schön wie du ein Licht.

Ja, golden leuchteten
als Sterne alle nackten
Wipfel drüben zwischen
Flussufer und Fenster!

Ja, der Schnee überall!
Ist aus dem Himmel, ist
eine Zusammenzeit, ja
ist das weiße Wunder.

*

2. Februar 2015 22:55










Sylvia Geist

Kleine Komparation für Gras

Ich liebe den Essigbaum, der unter falschem Namen lebt,
den Trughirsch ohne Tränengruben und Besinnung.

Gras liebe ich tief genug für seinen Karpfen, im Maul
des Teichs die Weide, die liedlosen Pfauenaugen

Tag und Nacht. Die Zusammenhänge, die vor meinen
ein Wäldchen um sich schließt, habe ich zu lieben

beschlossen, den Feuerleiter, das mächtige Gras,
betaubt und alle seine Komparsen wie jedermann

einzeln und unvergleichlich. Zu sagen, ich liebte
niemand mehr, liebe ich mehr wie den ohnmächtigen Hirsch.

für Whoondah Deewhe

27. Januar 2015 16:15










Thorsten Krämer

Untitled

Wir müssen lernen, die Blumen
mit anderen Augen zu sehen
, sagtest du und
hattest die Augen woanders; in der Enge dieses
Zimmers war selbst der Ausblick verhangen.

Beim Fokussieren der Iris lag eine Ferne
über allem, das waren gescheiterte Fluchten in eine
Leere, die es nicht gab. Ein aufblitzendes Schweigen
in Vertretung einer Begegnung. Die Vasenhaftigkeit

of it all.

24. Januar 2015 21:00










Mirko Bonné

Den Wolken

Bei scharfen Böen,
zwölf frühere Herzogtümer
im Innern des Festlands,
duftet der Schulbus,
wenn er in den Ort taucht,
immer noch nach Meer.
Die in dem Wind tanzende
Wäsche ähnelt Leuten,
die einen Zirkus eröffnen wollen
für das junge Jahrhundert,
in dem alles Zirkus ist,
und die Gänse in den Gattern
spreizen die Schwingen,
schnattern: O blauer Raum
früh morgens über den Dächern!
Da hineinzusteigen schwebt ihnen vor
in der Wölbung unter dem Gefieder
zwischen den schmalen Augen,
kein Anfall, bloß ein Anflug,
Tagträumen vergleichbar,
und jeder kennt sie, die Unruhe,
die ihre Schnäbel dabei schmecken
und zu tun haben muss mit Zitterpappeln,
Rauschen und Rasseln, mit trabendem
Gras und den wilden Muttertieren.
Den weißen Wolken.

*

21. Januar 2015 14:24










Tobias Schoofs

GERÄUSCHE

ständig klappern geräusche
die schwer bestimmbar sind:
von fern klingt liebe nach arbeit
ein paar liebt gewalt oder streitet

leben ist rhythmisch und singt

die kinder der nachbarn lachen
weil kinder fürs lachen sind
wenn vater kommt wird es ruhiger
weil väter für ruhe sind

leben ist rhythmisch und singt

das röcheln im ausguss ähnelt
dem husten im erdgeschoss
einzelnes stirbt und das ganze
scheppert irgendwie weiter

21. Januar 2015 01:02