Andreas H. Drescher

Sirup

Woher auch immer die Hitze in meinen Händen kommt,
Die Stadt kriegen sie nicht zu fassen.
Das Dorf war mir noch
Leicht
Durch die Finger gerieselt.
Auch das nicht zu greifen.
Doch kühles Rinnen immer
Hin über den Handballen
Das meine Fingerbeeren zu Gelee kochte.
Ich gab meinem Versagen also einen neuen Namen:

Sirup

26. Juni 2014 08:01










Christine Langer

Disteln

Die Silberlinge
Lassen ihr Köpfchen hängen
Fallende Silberköpfe
Knöpfe am Wegrand
Köpfe der Stille die silbrigen Taler
Die Täler des Einsamen
Monde im Taglicht
Gefranste Münzen Mützchen
Voll von Flaum und Dornensaum
Glanzpunkte Kronen die Krönung
Im farbigen Treiben
Heranwachsende Hommage
An eine verborgene Sprache

25. Juni 2014 16:41










Christian Lorenz Müller

Fernsehbilder aus Aleppo (10. Juni 2013)

Ihr ererbter Name, Michail Timofejewitsch,
gilt in tausend Sprachen gleichviel
wie die Wörter Aufstand und Unterdrückung,
er lässt die Augen junger Männer glänzen
und die Augen jener, die in einer Nacht
zu Greisen wurden, vor Schreck sich weiten.
Der radikalisierte Koranschüler in Pakistan
spricht ihn aus und der Kindersoldat im Kongo,
der Bodyguard des syrischen Präsidenten
und der kolumbianische Drogenbaron.

Früher, Michail Timofejewitsch,
war von der Braut des Soldaten die Rede,
heute hat der Rebell oder der Scherge des Diktators
eine Hure in Händen, die es von beiden Seiten
mit sich machen lässt, eine geliebte Hure,
die in Augenblicken namenloser Angst
an die Brust gedrückt wird, nacktes Eisen
an einem nackten Herzen.
Michail Timofejewitsch, erkannten Sie sich irgendwann
als jener Lude, der dem Sensenmann
das Sichelmagazin erfand?

Die Brust mit Orden beklimpert,
schelten Sie die Händler, schelten Sie die Politik
und scheinen dennoch stolz auf Ihr Werk,
stolz auf Ihren Namen, den schon Ihr Vater trug,
ein Bauer, ein einfacher Mann,
den kaum jemand kannte.

24. Juni 2014 19:16










Andreas H. Drescher

Apfel

Die eine Seite des Apfels – von Steinen ge
troffen – auf der schmeckt er am besten

Weil dort die Kraft des – Wurfes auf
gehoben ist die Kraft – des Wurfes und

die Wucht des Falls
(für Christine Langer)

24. Juni 2014 08:31










Christine Langer

Verbindungen

Aufgeladene Wipfel
Sie stauen das Blut
Unserer Hände
Wir heften den Blick
Ins Geäst erheben uns
Mit der sinkenden Sonne

23. Juni 2014 16:23










Hans Thill

… von den Wäldern …

sie rieseln wie Dreck auf unsere Tischplatte. Trau
keinem Mann mit grauen Schuhen

Von den toten Wäldern bei Freudenstadt
haben wir noch die Hornhaut an den Füßen
und daß wir danach traurig werden
wie unsere Wäsche von vorgestern. Von den alten
Wäldern
bei Metzingen haben wir
noch

das Flaschenglas, über das wir liefen
am Vorabend, von den abgeholzten, verfeuerten, rasch zu Asche
gepreßten Wäldern, schneller verwertet als wir
trinken können. Und wir nehmen das
Grundauge

21. Juni 2014 16:41










Markus Stegmann

„Lotte“ genanntes Laminat

Zwischen Gittern, Klavieren, über Fisch frühmorgens aufgefrischte Lage steht plötzlich eine permeable Partitur im Zwischenraum, sucht deine glockenhelle Stimme, die später mit mir kam, oder war da was wie performative Perforation, aber was wäre das überhaupt? zwischen uns im Gleisdreieck, schickt erste Ohren dem Kragen der Nacht, oder seid ihr Pfoten aus Tabak, Laub mit Lordose gefüllter Bunker, im Gezettel, Garnitur, welche Garnelen sollen das bitte lesen? wer faltet sich eine Lupe draus? ich setze dem Löffel lieber Linsen vors Maul, fuhrwerke mit dem Gezappel im Sessel, verwische, verwintere den Kunstschulenkatarrh mittels Audio, währenddessen verweilt die Welt in euren Stimmen, im Gelände, Waldsaum, ländlicherseits ins Gehege gefragtes Gesagtes, anders rum ging’s leichter, als Kopf und Kragen mit zittrigen Zügeln ums „Lotte“ genannte Laminat zu manövrieren.

für S&N

19. Juni 2014 23:14










Thorsten Krämer

Saumseliges Postskriptum vom Rand der Wüste

Das war es dann also. Der letzte Salzstreuer ist geleert, der letzte Wettschein zerrissen. Von jetzt an nur noch Schwitzen. Ein Unhold, wer sich etwas Böses dabei denkt. In einem Wort: der Süden als Sieger. Keine belagerte Landschaft mehr, kein Drehen am Rad. Von jetzt an ein Durst für die Ewigkeit, Stillstand & Gewissheit im g  l     e     i    ß     e      n       d        e         n            L             i               c               h                    t
                   d                          e                       r                             S                                          o

18. Juni 2014 16:49










Andreas H. Drescher

DER LETZTE SÜDEN SIEBEN

So ist der Unhold unterwegs: einmal von unten her durch alle Wolken. Und bindet, was er fasst, in Garben zusammen: Blicke, Wolken, Männer. All das steht in diesem unheimlichen Licht. Er selber lacht es, dieses Leuchten, ohne auch nur einmal den Mund zu öffnen. Ohne einen Rülpser schlingt er Bierbank und Bierstand als seinen Untergang herunter. Schaum ist ihm nachgespült genug. Der Jacketkronen Blau ist im Zenit gespiegelt. Als Nacht, als Mittagsmitternacht. Dunkel, dunkler, Vordersteven. Knackende Finger-Garben in Salz. Eben ein Unhold.

17. Juni 2014 17:11










Christian Lorenz Müller

Aus einer adriatischen Muschelkiste

Einer jener seltenen Tage
an denen das An- und Ausziehen
nicht nötig war. Das Salz
spannte auf unserer Haut
und die Wellen haschten beim Anlanden
nach unseren Knöcheln.
Mittags nur schlugen wir uns den Schatten
eines aufgespannten Leintuchs um die Schultern.
Mit unseren T-Shirts tunkten wir
das Spritzwasser vom Boden unserer Kajaks,
Badehosen und Bikinis flappten
als Piratenflaggen im Wind.

Abends zogen Containerschiffe nach Norden,
voll mit Hemden, Krawatten, Hosen vielleicht.

16. Juni 2014 11:35