Hendrik Rost
Scheinfrucht
Leise ist ein Apfel
in deiner Hand eingeschlafen,
die viele Arbeit
an der Illusion. Jetzt trägt sie Früchte.
Claudia Gabler
DANKE Hans, DANKE Sylvia, DANKE Fische. Aber but : NO NO HOLIday
This forest was like a zoo.
Hier trafen sich Hasen, die sich mit Füchsen trafen
und zuletzt Bären, die Schneeraupen fickten.
Wir wollten die Winterstarre erforschen
und wurden dabei unendlich müde.
Schlafmangel folgte Wassermangel.
Wir bauten Höhlen aus Federn und Laub
und sagten: House / Haus.
—
Gegen Mitternacht gingen alle in Torpor.
Wenn Feinde kamen,
wurden Fragmente von uns geweckt.
Unsere Nacktheit war unsere beste Waffe,
sie schlug einfach jeden Troll in die Flucht.
Zum Frühstück gab es Kuchen aus Klee,
Saft aus der Rinde des Ahorns, but
no condoms.
Hans Thill
Claudia Gabler
Wie zahlreiche Fische ist Claudia Gabler ein Kind des Festlandes: tief im Südwesten geboren, lebt sie in steinigen Zonen, wo die Tannen ganz nah beisammen stehen. Manchmal wirft sie einen Blick auf die Segel des Bodensees, kürzlich hauste sie für eine Zeit zwischen den Reben in Edenkoben. In Lörrach rollt man mitten im Jahr feurige Räder den Buckel hinunter. Aber nicht einmal das Baden-Baden der Vogeluhren kann sie verschrecken. Claudia Gablers Gedichte sind von seltsamer Schönheit, wie aufgestiegen aus einer fernen Erinnnerung, die mit einem Mal sehr heutige, akute Formen annimmt. Idyllen, die mitunter sehr unsanft mitten unter uns landen. Das gefällt Sylvia Geist, das gefällt auch mir. Mit dem Salz dieser Gedichte wollen wir unseren Teich würzen. Willkommen, Claudia, im goldenen Fisch!
27. August 2014 15:35Mathias Jeschke
Corvus corone
Die Rabenkrähe federt über die Wiese, sie
ist ein zweidimensionaler Scherenschnitt in
einer dreidimensional erscheinenden Welt.
Was hebt dich über bitter erlittenes Unrecht
hinweg, wenn nicht der Anblick der Natur.
Deine Jüngste hält sie für klein und wünscht
sich, eine von ihnen auf die Hand zu nehmen.
Sie, die eine besondere Begabung hat dafür,
diese Welt und ihre Erscheinungen in ein
austariertes Beziehungsnetz einzuflechten.
Sie schnarcht jetzt neben dir und in deinen
Träumen verwandeln sich die über das Gras
hüpfenden Krähen in lebensfeindliche Ideen.
Wie auch sollte es sich lohnen zu leben in
einem Käfig aus Gepränge und Geschmeide?
Wie viel Schmerz jedoch erträgst du und wie
willst du das Erlittene verkraften, wenn du
nicht den Augenblick nutzt, es loszuwerfen,
einen Anker, eine Urne in die wallende See,
einen gellenden Ruf nach Rettung, ein Gebet.
Hendrik Rost
Nach dem Stolpern
Das Wesen des Steins ist steinhart.
Ich weiß es aus eigener Erfahrung.
Aber Realismus ist keine Option,
wenn man am Kinn blutet.
Dann übernehmen andere Kräfte die Kontrolle.
Da liegt er, der Kiesel, unschuldig
seit der letzten Steinigung.
Lange lag er in einem Vorgarten –
vergessen fast,
was Kieselsein heißt.
Mir fällt nicht gerade ein Roman ein
im Übersprung, aber ohne großes Getue
spüre ich tief im Rachen die Sprache,
sie ist noch intakt, trotz gebrochener Knochen.
Die Töne ruhen da.
Das Wesen des Stolperns ist Inspiration.
Für jeden Einfall gibt es Beweise.
Für jeden liegt irgendwo ein Kiesel.
Sylvia Geist
Ein paar Anlässe eines ungeschriebenen Gedichts
Die Schlange vor der Zollstation, wo nichts
sich bewegt außer mir oder dem Dachschatten.
Die Formalitäten der fliegenden
Gesundheitspolizei um einen rotbraunen Rock.
Der Gestank an der Tankstelle,
wo wir um den Toilettenschlüssel anstehen.
Die Passantin, die hineinstürzt, als der Boulevard
sich über einer weiteren Etage der Stadt auftut.
Das Haus, in dem der Gastgeber aufwuchs
mit neun Geschwistern und der Mutter,
die beim Maischen sang und die Angehörigen
unserer Lebensbesichtigungsanstalt höflich übersieht.
Der Applaus der Kinder im Daycare, als wir
Gaben betrachten, die Gott ihnen geschenkt hat.
Der Wunsch, etwas zu kaufen. Der Vorsatz,
wenigstens alle Werbeschilder zu lesen, z.B.
White powder for whiter results. Der Gestank
im Bus, während wir uns schneller verwandeln.
Der Moment, als ich sehe, es ergeht mir
wie den anderen. Die Erleichterung
beim Halt am Fastfoodlokal. Die Schlange,
die in den Armen des Köcherbaums schläft.
Der Versuch, wach zu bleiben. Der Sand, der
beruhigende Ton des rotbraunen Sandes.
Christine Kappe
Den ganzen Tag schimmerte ein Film durch:
für einen Traum zu lang
– für ein voriges Leben zu kurz
Andreas Louis Seyerlein
~
MELDUNG. Tiefseeelefanten, 112 hupende Rüsselrosen, nahe Tramandai [ Brasilia ] gesichtet. Man wandert in südwestlicher Richtung. — stop
20. August 2014 14:37Hans Thill
… von den Wäldern …
auf dem Pitz Palü und über den Serifen,
wir versunken bis zu den Knien, bis zum Geschlecht. Von den
lauten Wäldern am Hockenheimer Kreuz
haben wir noch den Mund, der das
Fell
kaut, wenn es ein Pergament werden soll,
ein Folienblatt für Oskar auf dem Weg zu Klaus, zu
Claudia, mit dem Geruch des Buchensäuerlings,
der lange im Gras lag,
bei Hagen, der Siegfried tätowierte.
Von den leisen Wäldern bei Worms
haben wir noch die Würmer als schüchterne Runen,
ein Rasseln im geohrfeigten Mund. Aus den
wütenden Wäldern des Donnersberg
(mont tonnerre),