Christine Kappe

* (für Andreas Louis Seyerlein und die Nachtmenschen)

04.17 – Maik, in dicker, roter Steppjacke, mit Kapuze und Badekappe darunter. Hört mich erst gar nicht, als ich grüßend an ihm vorbeiradele. Dreht sich dann um wie ein Uhu und grüßt zurück, wobei ich am farblosen „Guten Morgen“ höre, dass er mich im Dämmerlicht gar nicht erkannt hat. – Neuerdings bleiben mir immer diese Sätze im Ohr, die nicht so gemeint sind. (Maik würde nie jemanden grüßen, den er nicht kennt!) Beim Weiterfahren denke ich noch über ihn nach. Er will sich vor den Witterungseinflüssen schützen. Und er will nicht gesehen werden. Aber warum hat er dann eine rote Jacke gewählt?

24. Mai 2014 07:34










Andreas H. Drescher

Klee

23. Mai 2014 08:50










Andreas H. Drescher

Meldung

Am 10. Mai, einem regenreichen Samstag, waren acht Dichterinnen und Dichter des Goldenen Fisches im Frankfurter Literaturhaus zu Gast. Die Vielgestaltigkeit ihrer Texte spiegelte sich auch in der Ausgestaltung der einzelnen Lese-Blöcke. Zunächst lasen Martin Piekar (aus „Bastard Echo“), Christine Langer (u.a. aus „Findelgesichter“) und Nikolai Vogel (aus „Große ungeordnete Aufzählung“ / Detail) in dieser Abfolge. In der nächsten Sequenz ließen Sylvia Geist (u.a. „Gordisches Paradies„), Hendrik Rost (u.a. „Licht für andere Augen„) und Christine Kappe (u.a. „Variationen über die Stille“ /Hörstück ), einer auf den Text des anderen reagierend, den Fokus von Autor zu Autor springen. Im dritten Block schließlich hielten Thorsten Krämer („Tender Gimmicks„) und Andreas H. Drescher („Das Cyan-Buch„) den Stuhl zwischen sich für den erkrankten Markus Stegmann („Die Anfangszeiten der Nacht„) frei und machten den Versuch, den abwesenden Autor zwischen sich „aufzurufen“, indem Thorsten im Dialog „Gerhard“ und im Trialog „Nord-Süd“ – beide hier im Fisch nachzulesen – die Passagen übernahm, die sonst Markus gelesen hätte. Ein hochdichter Abend intensiver Begegnung. Fotografien wurden von Christine Kappe und Carolin Callies aufgenommen, die die Lesung mit Andreas Louis Seyerlein gemeinsam organisierte. Wir freuen und bedanken uns bei Carolin und Andreas, sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Literaturhauses Frankfurt am Main.

21. Mai 2014 18:38










Christine Langer

Suche nach Klee

Jazz in den Wolken
Die wuchernden Gebilde
Deiner Stimme
Der Wind fällt in Locken
Klingt in Glocken-
Blumen holt das Blau
Auf die Erde der Rhythmus
Der Gräser wippt zwischen Wolken-
Wiesen krautigem Grün ich suche
Nicht mehr nach dem Glück

21. Mai 2014 16:49










Hans Thill

Von den Wäldern

Von den Wäldern haben wir noch
die Buchstaben. Der ruhige Schritt einer Eiche,
Reisig, das sich öffnet und schließt wie ein Herz,
eine Glastür am Flughafen

Du kaufst eine Zeitung, die Flügel eines klein
gemusterten Schmetterlings.
Draußen vor der Stadt hört man das Stottern der Wälder

Lärm des Alphabets, so auch in den
Zonen das Reden der Frauen, die ihre Duden
zeigen, als wollten sie alles in einem
dunklen Teich waschen. Das Wetter ist
klebrig und klar

21. Mai 2014 16:34










Nikolai Vogel

Die Assoziationsmaschine füttern

Alltag, Bilder, ein über eine Brücke fahrender Zug, der Fluss steht, das Ufer bewegt sich, Erddrehung, Schlafphasen, Wachphasen, Ebbe und Flut,

(mit Dank an Andreas H. Drescher fürs Weißbier ein Stück weiter unten)

20. Mai 2014 20:37










Carolin Callies

Rohstoffe IV

nicht viel & wir schnitten die türen in äpfel;
nicht viel & wir sägten das fenster ins laub.
ich trug viel davon & zu tragen vermochten wir steinobst
& kehlbrandt & durstige mäuse aus unserem stall.

der bärbeißgestank überfüllte uns morgens
& mittags, da tranken wir laub vom Karton.

20. Mai 2014 15:11










Andreas H. Drescher

Weißbier – vermauert (für Nikolai Vogel)

Flugmöbel aus Mörtelstaub
wassergewaagt im Schlaf der
seinen Lauftraum stickt

Das Montagsblau hinter
der Apnoe Uhren mit der Er
kenntnis selbst Poliere

haben zwei Zeiten eingekellt

19. Mai 2014 07:14










Christine Langer

Postkartenbild

Der Anblick macht schwindelig
Ein Heißluftballon
Über dem Mohnfeld
Das runde Rot im Himmel
Bringt die Mohnblumen zum Schweben
Atmet sie ein und aus
Gespenster die Wolken
Blutsbrüder des eigenen Körpers
Hineinfallen ins mittige Gesicht
Aufgehen hinaufsehen
Ins ohnmächtige mohnlippige Wort

17. Mai 2014 23:31










Andreas Louis Seyerlein

~

2.28 – Das Museum der Nachthäuser befindet sich am Shore Boulevard nördlich der Hell Gates Bridge, die den Stadtteil Queens über den East River hinweg mit Randilis Island verbindet. Es ist ein recht kleines Haus, rote Backsteine, ein Schornstein, der an einen Fabrikschlot erinnert, ein Garten, in dem verwitterte Apfelbäume stehen, und der Fluss so nah, dass man ihn riechen kann. Während eines Spazierganges, zufällig, entdeckte ich dieses Museum, von dem ich nie zuvor gehört hatte. Es war ein später Nachmittag, ich musste etwas warten, weil das Museum niemals vor Einbruch der Dämmerung öffnete. Es ist eben ein Museum für Nachtmenschen, die in Nachthäusern wohnen, welche erfunden worden waren, um Nachtmenschen artgerechtes Wohnen zu ermöglichen. Als das Museum dann endlich öffnete, war ich schon etwas müde geworden, und weil ich der einzige Besucher in dieser Nacht gewesen war, führte mich ein junger Mann herum. Er war sehr geduldig, wartete, wenn ich wie wild in mein Notizbuch notierte, weil er spannende Geschichten erzählte von jenen merkwürdigen Gegenständen, die in den Vitrinen des Museums versammelt waren. Von einem dieser Gegenstände will ich kurz berichten, von einem metallenen Wesen, das mich an eine Kreuzung zwischen Gecko und Spinne erinnerte. Das Ding war verrostet. Es hatte die Größe eines Schuhkartons. An je einer Seite des Objekt saßen Beine fest, die über Saugnäpfe verfügten, eine Kamera thronte obenauf wie ein Reiter. Der junge Mann erzählte, dass es sich bei diesem Gerät um ein Instrument der Verteidigung handelte, aus einer Zeit da Nachtmenschen mit Tagmenschen noch unter den Dächern ein und derselben Häuser wohnten. Das kleine Tier saß in der Vitrine, als würde er sich ducken, als würde es jederzeit wieder eine Wand besteigen wollen. Das war nämlich seine vornehme Aufgabe gewesen, Zimmerwände zu besteigen in der Nacht, sich an Zimmerdecken zu heften und mit kleinen oder größeren Hammerwerkzeugen Klopf- oder Schlaggeräusche zu erzeugen, um Tagmenschen aus dem Schlaf zu holen, die ihrerseits wenige Stunden zuvor noch durch ihre erbarmungslos harten Schritte den Erfinder der Geckomaschine, einen Nachtarbeiter, aus seinen Träumen gerissen haben mochten. Es war, sagte der junge Mann, immer so gewesen damals in dieser schrecklichen Zeit, dass sich Tagmenschen sicher fühlten vor Nachtmenschen, die unter ihnen lebten, die mit Schritten die Zimmerdecken ihrer Wohung niemals erreichen konnten. Aus und fini! – stop

> particles

17. Mai 2014 14:45