Christine Kappe

Minsk 2

Muss aufpassen
dass ich nicht auf der Rennbahn der gnadenlosen Läuferinnen spazierengehe
womöglich ihnen entgegen
wie hier am Ufer zur Mittagszeit
Denk dir nur
Während du lässig träumend über einen Kreidestrich gehst
kinderleicht
ist es für manche das langersehnte und einzige Ziel
(muss auf den Rasen springen, als sie vorbeisprinten)
(und eigentlich geht es ihnen gar nicht um Sport, hier, wo das Leben so anstrengend ist)
Es fiel das Wort Heldin
ins Wasser
Irgendjemand zimmert einen Pavillon

Die unerschütterliche Freundlichkeit der Weißrussen: wenn sie den Weg nicht wissen, sagen sie ihn trotzdem

14. Februar 2014 11:58










Martin Piekar

wie Distanzen Welken

– zu: Sternennacht, Öl auf Leinwand, Vincent van Gogh, 1889

Die Nacht mäandert als Schal
Um den Firnis des Mondes
Paar Sterne schnuppern hinaus
In die Welt sie schneiden
Mein Sichtfeld sieben mich

Aus letzten Lichtstrahlen wellen sich
Funken sie quellen und ballen sich
In der Stadt Schwaden von Watt
Zerlichten die Milchstraße
Ich verschlucke mich am Weltraum

Zwischen Düsternis und
Zypressen ist keine Hoffnung
Den Anfang wieder zu finden
Spür in meinem Denken schon
Die Erdfortziehungskraft

7. Februar 2014 15:56










Kerstin Preiwuß

Taras Schewtschenko

Das Vermächtnis

Wenn ich sterbe, so bestattet
Mich auf eines Kurhans Zinne,
Mitten in der breiten Steppe
Der geliebten Ukraine, –
Daß ich grenzenlose Felder
Und den Dnipr und seine Schnellen
Sehen kann und hören möge
Das Gebraus der großen Wellen.
Wenn sie von der Ukraine
Schwemmen fort ins Meer und schleppen
Feindesblut und Feindesleichen,
Dann verlaß’ ich Berg und Steppen,
Schwinge bis zum Gott empor mich
Von dem Sturme hingerissen
Um zu beten, – doch bis dahin
Will von keinem Gott ich wissen.
Ja, begrabt mich und erhebt euch,
Und zersprenget eure Ketten,
Und mit schlimmem Feindesblute
Möge sich die Freiheit röten!
Und am Tag, der euch die Freiheit
Und Verbrüderung wird schenken,
Möget ihr mit einem stillen,
Guten Worte mein gedenken.

Taras Schewtschenko (1814-1861), „Leibeigener und Intellektueller. Anerkannter Maler und gefeierter Autor. Volkstümlicher und europäischer Autor. Dichter von Blut und Tränen, Kosaken und unglücklichen Frauen, Steppe und Dnjepr. Begründer der modernen ukrainischen Literatur, Sprache und des Nationalbewusstseins. Nationalheiliger der Ukraine, aber auch Vorzeigeukrainer für die Sowjetmacht. … ‚Von den ersten Schuljahren an hören alle Ukrainer vom Weltruhm unseres großen Kobsars. Davon, dass seine Werke in Hunderte von Sprachen übersetzt sind (in der Regel schlecht). Davon, dass man überall auf der Welt sein Denkmal findet (in Paris, Rom, London, Washington, New York, Vancouver, Winnipeg, Buenos Aires – die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen); es gibt sogar Grund zu der Annahme, dass Schewtschenko hinsichtlich der Zahl der Denkmäler weltweit der absolute Champion unter den Dichtern ist. Was die schiere Masse an Bronze, Kupfer, Marmor, Granit oder Eisenbeton angeht, kann kein Dante oder Shakespeare mithalten‘, berichtet Juri Andruchowytsch.“
2012, dem Jahr der Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine, war sein 150. Todestag.

http://ukraine-nachrichten.de/taras-schewtschenko-ukrainischer-nationaldichter-sozialrevolutionäre-ikone-sowjetmacht-bohemien-trunkenbold-kein-fußballer-eine-würdigung-150-todestag_3064_meinungen-analysen

3. Februar 2014 21:32










Hans Thill

Neuigkeiten aus der Ukraine

English https://www.facebook.com/eurolution/posts/708520802501602?stream_ref=10

Deutsch https://www.facebook.com/eurolution/posts/708521375834878?stream_ref=10

Polski https://www.facebook.com/eurolution/posts/708521765834839?stream_ref=10

2. Februar 2014 23:42










Sylvia Geist

Patti Smith

I was dreaming in my dreaming
of an aspect bright and fair
and my sleeping it was broken
but my dream it lingered near
in the form of shining valleys
where the pure air recognized
and my senses newly opened
I awakened to the cry
that the people / have the power
to redeem / the work of fools
upon the meek / the graces shower
it’s decreed / the people rule

The people have the power
People have the power
People have the power
People have the power

(…)

Was für eine Stimme – zu hören hier – vielleicht genau richtig fürs Warm-up
In der „Welt“ stand kürzlich ein lesenswerter Artikel von Andrzej Stasiuk, über eine Art Kampf gegen Mordor und den engen, nämlich engherzigen Kontinent Europa.

31. Januar 2014 14:55










Kerstin Preiwuß

Juri Andruchowytsch

„Das Tollste kommt, wenn die Alpträume zu Ende sind. Du, Kiew, kannst ein Lied davon singen.“

(aus: das letzte Territorium)

29. Januar 2014 20:33










Nikolai Vogel

Guernica

im Hospital
mit Ursonate

28. Januar 2014 22:07










Andreas Louis Seyerlein

3.18 — Ich gehe ein paar Schritte nach links, dann gehe ich ein paar Schritte nach rechts. Sobald ich gehe, denke ich in einer ande­ren Art und Weise, als würde ich noch sit­zen. Ich habe schon viel nach­ge­dacht wäh­rend ich ging. Und ich habe schon viel ver­ges­sen wäh­rend ich ging. Wenn ich gehe, kom­men die Gedan­ken aus der Luft und ver­schwin­den wie­der in die Luft. Wenn ich sitze, kom­men die Gedan­ken aus den Hän­den. Sobald ich ein­mal nicht schreibe, ruhen meine Hände auf den Tas­ten und war­ten. Sie war­ten dar­auf, dass eine Stimme in mei­nem Kopf dik­tiert, was zu schrei­ben ist. Ich könnte viel­leicht sagen, dass meine Hände dar­auf war­ten, mein Gedächt­nis zu ent­las­ten. Was ich mit mei­nen Hän­den in die Tas­ta­tur der Maschine schreibe, habe ich gedacht, aber ich habe, was ich schrieb nicht gelernt, nicht gespei­chert, weil ich weiß, dass ich wie­der­kom­men und lesen könnte, was ich notierte. Selt­same Dinge. Ich denke manch­mal selt­same Dinge zum zwei­ten oder drit­ten Mal. Gerade eben habe ich wahr­ge­nom­men, dass es nicht mög­lich ist, zwei Zei­chen zur sel­ben Zeit auf mei­ner Schreib­ma­schine zu schrei­ben, immer ist ein Zei­chen um Bruch­teile von Sekun­den schnel­ler als das andere Zei­chen. Wenn ich selt­same Dinge gedacht habe, freue ich mich. Wenn ich mich freue, kann ich nicht blei­ben, wo ich bin. Die Freude ist ein Gefühl, das mich in Bewe­gung ver­setzt. Ich springe auf, wenn ich sitze, oder ich springe in Luft, wenn ich bereits auf mei­nen Bei­nen stand. Dann gehe ich ein paar Schritte nach links, dann gehe ich ein paar Schritte nach rechts. Sobald ich gehe, denke ich in einer ande­ren Art und Weise, als würde ich noch sit­zen. — Kurz nach vier Uhr auf dem Maidan-Platz, Kiew. — stop

> particles

28. Januar 2014 21:15










Hans Thill

bittschrift fürs kommende jahr

von ABDELWAHAB MEDDEB

was sagst du zu unserem schritt
der schwer auf der welt lastet?
weisst du dass die sohle des asphalttreters
funken versprüht schädlich für den baum
aufrecht, kümmerlich in seiner erdscheibe?
hört er den lärm der wälder gefällt
im gas das deinem körper entweicht?
die fabrik ein wiederkäuer wie das vieh
zahlreich auf der wiese wo es grast;
heftig flattert der schmetterling
aus dem unterholz des kleiderschranks
kaschmir mit löchern da und dort
kommt die haut durch durchsiebt der
pullover des verurteilten, den man erschiesst;
sing lieber von der anmut der sonne – wenn sie ihm
die zähmende hand reicht und schenkt
da der granatapfel aufplatzt versengt
von ihr wie die windgebräunten wangen

Barcelona, 26. Dezember 2013

28. Januar 2014 17:51










Christine Kappe

Zustellversuch 6

Rimpau 21. Irgendwo muss der Hund sein… Der Hermesbote hat die Lieferung nicht grundlos auf die nasse Erde neben dem Gartentor gestellt. Ich sehe nichts, höre nichts, gehe durch die offenstehende Pforte zur Haustür. Stille. Ich werfe die Post ein. In diesem Moment bellt er los und wirft sich von innen gegen die Tür, zerfetzt die Post, tobt, ich höre ihn noch, als ich schon 5 Häuser weiter bin.

Einmal war er im Garten. Ich hörte ihn durch die blickdichte Hecke. Sein Bellen klang wie ein Husten, bei dem sich viel Schleim löst. Seine Herrin rief mir zu: „Ich habe ihn an der Leine!“ Aber das war mir egal, ich wollte leben. Ich warf die Post auf die Erde und fuhr so schnell wie möglich weiter. Ich hörte, wie die Frau ihren Hund anschrie, dann schrie sie hinter mir her.

Doch der Hund kann nicht anders: das freistehende Haus ist ein Paradies: die Garage mit dem silbergrauen Jaguar steht offen, Fahrräder lehnen unangeschlossen am Zaun, Spielzeug liegt über den Rasen verteilt und an der Haustür hängt von außen ein dicker Schlüsselbund.

28. Januar 2014 14:24