Konstantin Ames

Bemäße sich an Freizeit Reichtum

reitet den Wald unter Wasser
pflanzt das Pferd im See
diesem Malus und neun andern
voll Trash entgegensehen

spricht Hochdeutsch mittags
nachts auf der Teufelsburg Platt
jagt aufm Drescherhai Niedfraß
sagt dir vor Istland sacht: matt

Für Andreas H. Drescher

22. Dezember 2021 10:01










Andreas H. Drescher

Fronleichnam (Kapitel aus dem Roman „Schaumschwimmerin“)

17. Dezember 2021 09:26










Konstantin Ames

Mal wi3der wie Astel

Kritiker rezensiert Glück
Glück hat einen Preis
Glück hat den Preis
Preist den Kritiker
der wo so viel von
Glück verstehn tut
aus

13. Dezember 2021 11:11










Alexander Peer

Ausweispflicht

Der Tote konnte sich nicht ausweisen
stand in der Zeitung
und sagte viel darüber aus,
was am Menschsein heute als wichtig gilt;
nicht einmal der Tod scheint
Rettung davor zu sein.

 

aus dem soeben in der Reihe Limbus Lyrik erschienenen Gedichtband
„Gin zu Ende, achtzehn Uhr“

10. Dezember 2021 11:41










Hans Thill

Zettel

4. Dezember 2021 11:43










Christian Lorenz Müller

POST-IT VOM GEDICHT

Dieses Gedicht ist misstrauisch gegen alles,
was spitz ist und einen Kolben hat –
auch gegen den Bleistift, an dessen Ende
sich doch nur ein Radiergummi befindet.
„Umso schlimmer“, protestiert das Gedicht.
„Wer sagt denn, dass Teile meiner lyrischen DNA
nicht gerade deshalb gelöscht werden?
Ausradieren, ist das nicht auch so ein Naziwort?“
Schon hängt es sich ein Schild um den Hals,
auf dem es sein Grundrecht
auf metaphorische Unversehrtheit verteidigt.

Genervt mache ich eine kurze Pause.
Als ich mich wieder an den Schreibtisch setze,
ist es fort. Auf einem Post-it steht,
dass es einen langen Spaziergang
unternommen habe, im deutschen Wald,
das stärke sein sprachliches Immunsystem.

1. Dezember 2021 10:12










Hans Thill

Zettel

27. November 2021 13:19










Mirko Bonné

Marie

Zur Erinnerung an Marie T. Martin (1982 – 2021). Mein Foto zeigt Marie im Januar 2015 am Nord-Ostsee-Kanal in Rendsburg gemeinsam mit Tom Schulz.

10. November 2021 23:14










Christian Lorenz Müller

URLAUB IN ASUNCIÓN

In Paraguay, sagt sie, habe man mit einem Anti-Wurmmittel gute
Erfahrungen gemacht. Es liege einem Vorsorgepaket bei, das auch
Aspirin und andere Medikamente enthalte und kostenlos an die
gesamte Bevölkerung verteilt werde. Bei uns hingegen: Nichts als
Zwang! Der Staat verkomme zur Lobby der Pharmaindustrie.

„Und wer stellt dein Wurmmittel her?“, frage ich gereizt. „Ein
Kräuterweiblein aus Paraguay? Aspirin stammt ja auch nicht
aus biologischer Landwirtschaft.“

Sie schluckt, bedeckt ihre Augen mit der rechten Hand und bittet
mich, sich nicht über sie lustig zu machen. Sie suche ja nur nach
Alternativen, das müsse doch noch erlaubt sein. Wer nicht
geimpft sei, habe es ohnehin schon so schwer.

Ich aber kann nicht an mich halten: „Wie wär’s denn mit Urlaub
in Asunción, bis alles vorbei ist? Oder gleich in Rio, wo es sowieso
nur eine leichte Grippe gibt?“

„Ich darf ja nicht mal mehr ins Flugzeug.“ Sie nimmt ihre Hand
von den Augen, die sich mit Tränen gefüllt haben. „Überall setzten sie mir zu.
In der Arbeit ist es kaum noch auszuhalten. Und jetzt auch noch du!“
Weinend läuft sie aus demWohnzimmer und schlägt die Tür hinter sich zu.

Ich weiß, was jetzt kommt: Sie sperrt sich ein, sie sitzt in
ängstigendem Dunkel auf der Toilette und taucht ihr Gesicht in
die weiße Corona ihres Handys, tröstend leuchtender Mond in
einem Universum finsterer Zusammenhänge, und schaut Videos,
in denen selbsternannte Experten über glückliche Länder wie
Paraguay berichten.

Später werde ich mich für meine harsche Art entschuldigen.
Wir werden uns vergeblich vornehmen, nicht mehr darüber
zu reden, wir, ein Paar, das zwanzig Jahre lang alles miteinander
geteilt hat, alles.

9. November 2021 12:23










Christine Kappe

Die Prinzessin von Flaubert

In der Bahn vom Kronsberg nachhaus rollte
die Prinzessin von Flaubert
mit ihrem Kinderwagen über Füße und Drachen zum Fahrer
um ihm während der Fahrt zu sagen, dass der Fahrkartenautomat kaputt sei
Ich versuchte einzulenken – schon wegen unserer Drachen –
dass sie es doch lieber an der nächsten Haltestelle tun solle
um den Fahrer nicht zu stören
Eine ältere Frau rastete daraufhin völlig aus
Und ein junger Mann entpuppte sich als zukünftiger Straßenbahnfahrer
simulierte alle Handgriffe bis zur Perfektion
wir mussten ihn immerzu anschauen
Er hätte wahrscheinlich das Steuer übernehmen können
Dann hätte der richtige Fahrer sich um die Prinzessin von Flaubert kümmern können
Was bildete sie sich ein, auf ihre Goldkrone und die im Kinderwagen kaltgewordenen Zeitungen

4. November 2021 23:23