Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (105)

27. November 2015, ein Freitag

Nicht, dass ich nicht schlief heute Nacht. Nur eben, dass mich morgens das Gefühl überlief, schon sehr lange wach zu liegen in Gedanken. Trübem Gedenke an das Glühweintreffen mit den gewesenen und künftigen Nachbarn, an die zwanghaften Halbscherze, die soziales Miteinander vorgaukeln. Bilder wie Stricke, die sich morgens, wenn ich nicht aufpasse, im Kopf winden und verknoten, es sei denn, dass ich sofort loslasse, das Denken einstelle und damit den Schmerz lindere.

27. November 2016 08:46










Nikolai Vogel

Große ungeordnete Aufzählung (Detail)

die Unlust unter der Eisenbahnbrücke durchzugehen, wenn ein Zug darüber rollt,

26. November 2016 19:11










Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (104)

26. November 2015, ein Donnerstag

Vormittags hat der Klempner einen neuen Spülkasten installiert. Schön, einen Mann bei sich zu haben, der seinen Beruf liebt. Nicht, dass er sang. Er schnaufte durchaus, und ich hörte ihn, während ich im Arbeitszimmer am Schreibtisch saß, des öfteren schnaufen. Doch dann rief er mich und demonstrierte den Erfolg. Er drückte die Spülung. Sie lief. Er horchte an der Kachelverschalung, um zu hören, wie das Wasser den Spülkasten füllte. „Los, komm schon“, raunzte der Liebende leise, und alles vollzog sich nach seinem Willen.

Glühweintreffen auf dem Weihnachtsmarkt der Kulturbrauerei mit der Hausgruppe der Nichtsehrvielgeliebten. Dort wird verkündet, dass mein Hauptmieter tatsächlich gekündigt hat und ich nun dessen Stelle übernehmen könne. Na hoppla! Und siehe: freudig erregtes Hyperventilieren seitens der in tristen Zeiten lieber in Deckung befindlichen Nachbarinnen. Pfui, denke ich und spendiere Glühwein, spendiere um so lieber, als das dauernde Pendeln zwischen Runde und Glühweinstand mich von der Runde fernhält. Zügiges Verabschieden zum Aikido, leicht angesäuselt auf die Matte.

26. November 2016 09:32










Nikolai Vogel

Große ungeordnete Aufzählung (Detail)

die Biografie eines Kiesels,

25. November 2016 19:05










Konstantin Ames

weiteres aus: Müdich Buntstift´s Landschaften

Jauchztest: «Ich bin müde wie eine alte Trompete!»
Würde schreiben: Müdich, eine alte Trompete
Ich, ein erwachsener Dichter (bloß). Du, ein Dichter (5)
Schriebich verbrühten Fingers. Deine Wärmflasche

Gefüllt. I must vomit. Ichmast, womit?
Ab ins Fieber. Das ist kein Sentiment; Neid
Jetzt aber tagts! (Ich harrt und sah es [km]« 21.11.2016)

25. November 2016 17:23










Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (103)

25. November 2015, ein Mittwoch

Gestern noch erreichte die Gruppenmitglieder der Genossenschaft die rätselhaft-unrätselhafte Nachricht, man würde sich gern auf einen Glühwein treffen, bei dem Gerald eine Runde auszugeben habe – „aus einem guten Grund“. Hat mein schäbiger Hauptmieter sich nun doch entschlossen, mir das Feld zu räumen? Das wäre eine gute Nachricht: die Aussicht auf eine Wohnung in einer Genossenschaft mit Aussichten auf Dauer, Mietpreis, Zugriff auf vielleicht andere Wohnungen etc.; andererseits auf neuerliche Nachbarschaft mit „diesen Leuten“, von denen ich so erleichert schied. Das nicht vergessen und verhehlen! Proust in einem Klammerzusatz: „Denn nicht nur dadurch, dass man andere, sondern, dass man sich selbst belügt, verliert man schließlich das Gefühl dafür, wann man eigentlich lügt.“

Terminabsprachen zum Geschwistertreffen. Sie verlaufen zäh. Im Computer abgelagert sind Kindheitsfotos selbstverständlicher Geschwisterschaft. Damals war klar, dass das ewig dauern würde, aber ungleich länger dauert inzwischen jene Zeitspanne, in der wir nur noch einander zuwinken, jeder mühsam sein Gleichgewicht haltend auf auseinandertreibenden Schollen.

Flug nach Lima gebucht: zum Wandern in Anden. Lange genug habe ich Signale in die Umwelt abgesetzt, um den Druck zu schaffen, unter dem eine ungefähre Idee eine konkrete Form annimmt. Das 30. Jahr mit etwas Verspätung. Wer ist mein Moll?

Beim Bäcker gesessen und gelesen. Neben mir: ein stinkender Mann. Wahrscheinlich ohne Kindheit.

25. November 2016 15:25










Nikolai Vogel

Große ungeordnete Aufzählung (Detail)

Geschiebe, Geröll,

24. November 2016 19:43










Hans Thill

tzox

Birke

24. November 2016 15:33










Gerald Koll

Das fünfzigste Jahr (102)

24. November 2015, ein Dienstag

Aus einem Traum geschüttelt worden. Geschüttelt von Ärger und Zorn. Zorn über den Vater, über den Beamten, dessen patriarchale Pedanterie so weit ging, dass meine Behördenschreiben, sofern sie Fehler aufwiesen, bitte noch einmal – damals noch auf der Schreibmaschine! – abzutippen seien. Heute sind seine Briefe Kauderwelsch. Proust schreibt, wir gingen innerhalb eines Lebens von einem Leben zum nächsten. Ich weiß nicht. Ich glaube, mein Vater wäre noch ebenso wie einst, er kann es nur nicht. Es ist der gleiche Mann mit Versehrungen, der gleiche Rechthaber ohne Recht zu haben. Und ich, der nachtragende, unerbittliche, rechthaberische Sohn bringe dafür kein Erbarmen auf.

Frau S. behält, was ich wunderbar finde, den Kopf oben. Heute Nachmittag beglückwünschte ich sie, dass sie beim Vorstoß auf der Party bei K. den Rückschlag wegsteckte und dennoch nicht aufgab. Sie aber bestand sie darauf, dass auf diese Weise die Geschichte bitte nicht geschrieben werde. Denn schließlich habe sie mir bereits bei jener Abfuhr bedeutet, in meinen Gesten und Handlungen läge eine unabweisbare Ambivalenz, die auch nach meiner Zurückweisung erhalten blieb, und ich sei es gewesen, der ihren Knöchel zuerst berührt habe. Darin liegt Großartigkeit.

24. November 2016 11:45










Nikolai Vogel

Große ungeordnete Aufzählung (Detail)

Flusslandschaften,

23. November 2016 23:05