Thorsten Krämer
Dieses Gedicht hat den Zug zur Buchmesse
verpasst. Nun steht es auf dem Bahnsteig und hat
Kaugummi unterm Schuh. Erdbeergeschmack.
Dieses Gedicht hat den Zug zur Buchmesse
verpasst. Nun steht es auf dem Bahnsteig und hat
Kaugummi unterm Schuh. Erdbeergeschmack.
Kein Bücher-Jahrmarkt ohne Stilgaukler.
Sein erstes Werk war ein Roman, gewaltig wie ein Gebirge.
Gleich nach dessen Erscheinen begannen die Mühen der
Ebene.
Glasklare Prosa muss nicht notwendigerweise
durchsichtig sein.
Die Produktion von heißer Luft kann durchaus
zu Höhenflügen führen. Es braucht nur jemanden,
der die passende Ballonhülle dafür bereitstellt.
Gegen gelegentliches Waten im seichten Wasser der
Unterhaltung ist nichts einzuwenden. Bedenklich wird
es bei Schwimmversuchen oder Sprüngen vom Rand.
Im medialen Zirkus gibt es Artistinnen, Dompteure,
Messerwerfer und Clowns, aber eine Direktorin oder
einen Direktor sucht man vergebens.
Selbst über ungelegte Eier, die aus Legebatterien kommen
werden, redet man viel und gerne.
Wenn Stil die Physiognomie des Geistes ist, warum
erschrecken wir dann nicht vor der allgemeinen
Fratzenschneiderei?
Das helle Strahlen seines Geistes blendete all jene, die
keine Sonnenbrillen in der Tasche hatten.
Wer sich ständig wiederholt, der hat gute Chancen, gehört zu werden.
17. Oktober 2016 09:0915. Oktober 2015, ein Donnerstag
Meine Psychosomatik wird ja immer empfindlicher. Kaum steht etwas bevor, geht es mir schlechter denn je. (So lässt sich die Bewältigung des Bevorstehenden sehr viel glaubwürdiger glorifizieren.) Gestern, als ich mich nach Brandenburg aufmachte, um meinen Film auf der Archäomediale vorzustellen, begann schon beim Einsteigen ins Auto ein Ohrenreißen. Ich dachte erst, das sei Duschwasserrest, aber es wurde immer schlimmer. Dazu die Erkältung. Was für Schweißarten da zusammensickern. Gleich doch mal eine Propanolol einwerfen. Das reguliert denn doch enorm. Nur kann ich meine Außenwirkung dann nicht mehr gut einschätzen. Bei der Fragerunde hinterher stellt niemand eine Frage außer dem alten Film-Haudegen D., dessen langes Nuscheln in die spannende Frage nach dem Anlass des Films mündet. „Nein, kein Anlass“, kopfschüttle ich sediert und registriere dann aber doch die Außenwirkung einer so unhöflichen Antwort.
Dieser D.! Einer, der sich wirklich mit allen Hochetagen der Akademie und Politik anlegt und es sich mit ihnen verscherzt. Aber auch einer, der es schafft, für ein Festival ein Grußwort zu schreiben, in dem er nur für seinen eigenen Film wirbt. 76! Und erzählt mir mit seinen 76 Jahren von seinen zehn Tagen im Keller dort bei Brandenburg, in den ersten Mai-Tagen 1945. Ein seltsamer Mann: großes Herz, alte Schule, tollkühn und tolldreist.
Trotzdem miserable Nacht im Hotel. Zwischen halbdrei und vier Uhr wach gelegen und im Fernsehen Dokus über den Allgäu und die asiatischen Hochgebirge gesehen. Die Putzluft verbot, das Fenster zu schließen. Der Verkehr verbot, das Fenster offen zu lassen. Dazu diese Rotzbeutel in den Naseninnenhöhlen, die immer zu jener Seite schwappen, auf der ich liege. Grässlich. Morgens Frühstück. Da ist man ja leider nie allein, sondern sofort mit den Anderen vom Festival zusammen. 10:15 Uhr zuhause.
Auf mp3 gehört: Hubert Fichte. Auch so einer. Schaurige Stimme mit seiner Hamburger Plättung. Aber dann ein Satz wie „Mach doch mal das Licht an, das iss so dämmsig!“ Außerdem ein Vorbild in Sachen Reisebeschreibung, Angstbeschreibung, Magiebeschreibung – manischer, konsequenter, abenteuerlicher, sammelwütiger, als ich es je sein könnte.
Den ganzen Tag gepackt, geschraubt, demontiert. So weit gut vorbereitet für den Umzug. Fast schon beruhigend, dass jetzt, am Abend, die Stimme ziemlich weg ist und auch das Ohr sich zuweilen meldet – nicht alle körperlichen Symptome kündigen von Lampenfieber vor sozialen Auftritten.
Und gleichzeitig natürlich zum Kotzen: Nur weil die Genossenschaft fahrlässig (wenn nicht schlimmer) geschlampt hat, ging der Umzug nicht vor zwei Wochen bei herrlichem Sonnenschein und bester Gesundheit zügig über die Bühne, sondern jetzt, bei Dauerregen, Kälte und Erkältung. Wer besorgt mir einen tüchtigen amerikanischen Anwalt?
15. Oktober 2016 12:36der energischen Navajos, manche ganz englisch, also
aufgedonnerte Nannys, Angostura nippend in einer Schlucht,
aus der die Bäche kommen, schwerer als Wasser. Narrativ.
Blau die Nas von einem Schluri (war mal ein Ritter gewesen).
Bitterschokolade, plärrenden Augs. Fischarts
nauppengeheuerliche Softnutten, Leerschlag nach Leerschlag
schlittern die Eingebornen in enge Kostüme auf der Suche nach dem schrulligen
Nosferatu. Schaluppen mit Lippen wie ein Schuljunge
mit Nixlein. Öffentliche Austern. Bodenbluten, ebenfalls
öffentlich. Mit Brettersosse narrt man die zehrenden
Schaben. Man hat eine Tendenz zum Wespenlutscher,
man hätte einen Kolbenfresser auf dem
Schluchsee (Forêt noire), es wäre irre eng, ok, im
Aufzug. Die Sockenschlümpfe lernen von Artisten, die
noch in Notzelten einen Salto finden. Solobutter,
Schonzeit für Bullen, na prima. Tim und Mentzer
Nas und Nuppe, Totnsonntag auch für „seinen“
Johannes. Von der Milch her ein Hans sein,
schlurfender Nochspecht, ein Karneol aus
Lutherjahren, nenn ihn Stüber, aber schweig
von seinem geschmähten Glied. Diese Seufzerbrücke
kurz vor knapp. Schlimmer wären die Störenfriede des
Pontormo, mit Bulgur sogar, oder das rechte Bein gleich
neben einem toten Kamel. Sags ihr durchs Maul,
nimm das Übersee-Necessaire mit ins Nadelöhr,
pack dich voll mit Astor Filter. Schluchzende
Neubauten, enge Hängung, hier auf dem Boulevard
der Engadiner. Ist er ein Soldat, soll er die Trommel
frein, eine der vielen Bullrichnasen meiner Oma Scharlott,
in ihrem Gefolge auch so ein Fensterweiblein mit
contrainte. Fand in Kriegszeiten Verwendung als
Fischschwanz, normal oder normannisch,
Holz in den Kalk gezeichnet. Altes Rasierblut noch
von ten sixty six. Erfolgsgeschichte einer Muse namens
Klit, Johan Fischart, genannt Gargant. Paul und Paul
vom Ross gefallen, alle Apostel sonst auf dem Posten.
Das stornieren wir gleich. Tintenstrahl mit Fischgeschmack,
Prints für die Veganer vom Mars. Dortige Mäuse.
No Sir, energischer als Shakespeare schlug Störtebekker
die Hornissen tot: bellende Schnauzen nardische
Blutbuletten ausm Silo, saftiger als alles was der Butcher
(patientenenglisch) nach einem Absacker so auftischt.
Oder wenn er all die Schaunasen rotwelsch
untertitelt. Rust never sleeps.
Mitten im Bungabunga isst man halt Butterbrezeln,
schielt nach dem schönen Zettel, der anderswo
ein bottom wäre.
von seinem geschmähten Glied. Diese Seufzerbrücke
kurz vor knapp. Schlimmer wären die Störenfriede des
Pontormo, mit Bulgur sogar, oder das rechte Bein gleich
neben einem toten Kamel. Sags ihr durchs Maul,
nimm das Übersee-Necessaire mit ins Nadelöhr,
pack dich voll mit Astor Filter. Schluchzende
Neubauten, enge Hängung, hier auf dem Boulevard
der Engadiner. Ist er ein Soldat, soll er die Trommel
frein, eine der vielen Bullrichnasen meiner Oma Scharlott,
in ihrem Gefolge auch so ein Fensterweiblein mit
contrainte. Fand in Kriegszeiten Verwendung als
Fischschwanz, normal oder normannisch,
Holz in den Kalk gezeichnet. Altes Rasierblut noch
von ten sixty six. Erfolgsgeschichte einer Muse namens
Klit, Johan Fischart, genannt Gargant. Paul und Paul
vom Ross gefallen, alle Apostel sonst auf dem Posten.
Das stornieren wir gleich. Tintenstrahl mit Fischgeschmack,
Prints für die Veganer vom Mars. Dortige Mäuse.
No Sir, energischer als Shakespeare schlug Störtebekker
die Hornissen tot: bellende Schnauzen nardische
Blutbuletten ausm Silo, saftiger als alles was der Butcher
(patientenenglisch) nach einem Absacker so auftischt.
Oder wenn er all die Schaunasen rotwelsch
untertitelt. Rust never sleeps.
Mitten im Bungabunga isst man halt Butterbrezeln,
schielt nach dem schönen Zettel, der anderswo
ein bottom wäre.
für Paulus Böhmer
14. Oktober 2016 11:23…
Then time will tell who has fell
And who’s been left behind
When you go your way and I go mine.
The judge, he holds a grudge
He’s gonna call on you
But he’s badly built
And he walks on stilts
Watch out he don’t fall on you.
…
13. Oktober 2016 12:41Es stimmt, auch ich
war mal im glücklichen Garten.
Nur bin ich mir nicht sicher, wo das war
und ob meine Großeltern mir so ersparten,
Schrecken zu sehen,
vielleicht für ein Jahr.
Es war der Sommer,
als ich auf den Bäumen las.
Ich kletterte in die Wipfel, fühlte mich frei,
und wenn es leuchtete, im trabenden Gras,
mein Lieblingsgesicht,
war mir alles einerlei.
Für Nadja Küchenmeister
*
12. Oktober 2016 22:517. Oktober 2015, ein Mittwoch
Heute um 15 Uhr Schlüsselübergabe Pistoriusstraße 147. Umzug am Sonnabend, dem 17.
13. Oktober, ein Dienstag
Köstliche Momente vor dem Einschlafen vor dem Fernseher: entspannteste und gespannteste Aufmerksamkeit auf die Vorgänge im Film, inneres Eindicken, Wärme.
Morgen Filmpräsentation von Ein Metjen nahmens Preetzen auf dem Archäologie-Festival. Spannend, ich kenne meinen Film inzwischen selbst nicht mehr. Eine Erkältung bahnt sich an. Die Raumtemperatur beträgt 13°C, nasskaltes Wetter. Es ist keine Kohle mehr da. Die habe ich längst verschenkt, als ich noch dachte, der Umzug fände rechtzeitig statt. Hoffentlich ein Umzug ohne Regen.
11. Oktober 2016 12:00
3. Oktober 2015, ein Sonnabend
Mein Schadenbegrenzungsleben ist um zwei Schäden ärmer: Gestern simste mir ein mir gänzlich unbekannter Danilo, er habe am Donnerstag meine EC-Karte im U-Bahn-Automaten gefunden. Außerdem unterschrieb ich den Mietververtrag für die Zwischenumsetzwohnung.
Die aikideske Zeremonie für den Jubilar K. unter dem Decknamen Aktion Butterfly: eine kollektive Liebesspende aus Wohlgeruch (wieso eigentlich nicht Myrrhe?), Shiatsu, Violine und Poesie, eine geschmeidige Gewichtsverlagerung zwischen Wohlfühlmeditation und amouröser Beschwörung.
In derselben Nacht, also am Freitag, erhalte ich Kurznachricht von Meg, die Kontakt erwünscht. Verwirrend. Kitty antwortet auf meine SMS nicht, ich wiederum ignoriere das Werben der Frau S. Und nun ist da Meg, die Champions-League-Lady. Und auch noch die plötzlich zurückgemeldete M.: die will mich besuchen mit Nacht-Aufenthalt.
5. Oktober, ein Montag
Träumte, neben mir nähme Opa Platz. Er sieht nicht aus wie Opa, aber es ist klar, dass nur er es sein kann. Nach kürzester Frist geht er schon wieder, und ich rufe aus: „Du willst schon wieder gehen?“ – und schon ist er weg. Beklommen erwacht.
Neue Wendung auf der Party des Jubilars K. am Sonnabend: Nach konsequentem Sektverzehr und Tanz kommt es zu ein wenig kabarettistischen Avancen von Frau S., deren Kussattacke eins und zwei ich ausweiche und abwehre. Zu beidseitiger Abkühlung geht man nach oben vor die Tür, als pubertiere man. Das Leben: eine Demütigung. Frau S. trägt sie nach ersten Tränen mit erfreulich robust restaurierter Würde.
Schreckhafter flashback: der 1. Oktober vor 30 Jahren, 1985 an einem Dienstag. Da ereignete sich der traurige Einzug in die Kaserne in Hamburg-Wentorf. Ein furchtbares Zeitloch, gefüllt mit Drangsal, Verblödung, Derbheit und Ausbildung schlechter Eigenschaften.
10. Oktober 2016 22:51
ungeschrieben ist das gedicht
was du hier siehst ist nicht das
gedicht es ist nur der zwischen
raum zwischen den zeichen die
zu jenem gedicht gehören es ist
nur frage ohne antwort antwort
zu der du die frage nicht weißt
es ist ein wort ohne inhalt wie
sehnsucht das trotzdem wehtut
Gegens Fenster schifft Regen.
Erste Gespenster
im dunklen Gang.. Er-
arbeitete freun sich
’nen zweiten Gartenschlauch
ins lodernde Bureau, schlapp
den längsten Fangzahn
zieren winzige Kommata… Er
gleicht darin dem kleinsten
Apfelgrün, apfelgrünen Bade-
wasser, Stücken Lauch darin
(Engl) inner Sandtigerhaisuppe, schnapp
beste in der Gegend….
(lavant« 20.12.2014)
in memoriam Fabjan Hafner
8. Oktober 2016 07:51