Sylvia Geist
(nach einem Bild von Max Ernst)
Und wenn ich um Nebel bitte?
Ein Riss, und der Giebel scheint
sich zu biegen, schon unterm Haar
der Berenike, glaube ich, * als fiele
auch Licht je schwerer je weiter –
 – ? wieso „-„? Etwas fehlt hier, der Wald, der ja da ist, sobald man begreift, was man sieht,
also beinahe gleich, und auf / in den das Licht ein/fällt, aus der rechten Bildecke …
(Beim Versuch, es halblang zu machen, droht das Gedicht länger zu werden.)**
Das Mehl jedenfalls ist froh
um die Zutaten der Hände,
ich nehme die richtige Dosis
Honig und glaube daran, 
dass es gut ist, dass der löchrige Mantel
Regen kein Wunder Rätsel be entdeckt, keine Blöße,
die der Himmel in dieser Ecke
einem noch geben könnte, und ja, 
es lebt sich bescheiden im Mandelkern
eines steten, strahlenden Zusammenbruchs.
Aber es gibt komische Vögel hier, die mich umnachten,***
oder vielleicht sind es die Schlafbäume 
der Schneeeulen da, die hin und
wieder zusammenrücken. Dann glaube ich,
der Wald ist geschlossen, und niemand geht
mehr hinein, der es lichten kann. – Und
wenn ich nun die Milch verschütte? 
* Änderung vom 17.03.
** Anm. vom 20.03.
*** Änderung vom 05.04.
Viele Grüße, liebe Christine – wir sehen uns!
10. März 2013 13:06 
 
	
 
Christine Kappe
die Zeit kriecht mir kalt in die Ärmel
eine Art Tod
irgendein noch zu bestehendes Abenteuer
eine Frau zerteilt Pfützen mit dem Kinderwagen
das Kind – von der Sonne geblendet – schreit schrill
ich zweifele an seiner Echtheit
Sonne erhellt nicht immer, immer aber gibt es zwei Bilder
eins ist wahr, das andere hell
10. März 2013 11:10
 
 
	
 
Hans Thill
Handy
Hans Test fällt auf, daß das Handy durch eine Schnittstelle aufgeladen wird, durch die es auch seine Daten abgibt. Für diese Dinger sind Mund und Anus eins. Bei digitalen Geräten ist ohnehin alles Finger.
8. März 2013 23:03
 
 
	
 
Andreas H. Drescher
Die Spirale des Zitronen
Falters um mich her dann
Spielt er altes Blatt im Wein
6. März 2013 10:57
 
 
	
 
Mirko Bonné
Am Morgen war die Schneelandschaft zurück,
nicht irgendwie und irgendeine, sondern die
am Ende des Romans und damit auch
das ganze Buch mit seinen Menschen
und ihrem Weiß des neuerlichen Winters.
Noch immer dieser Frost Unwirklichkeit
zwischen den Zeilen der Empfindungen
und den Gedanken von Gespenstern.
*
4. März 2013 10:37
 
 
	
 
Hans Thill
Stromzähler
Er misst den elektrischen Fluß nach seiner Heftigkeit (Intensität) wie ein Taxameter die Schritte und Stunden zerkleinert. Der Stromzähler hat keinen Namen und ist an den rot gerahmten Stellen hinterm Komma zu erkennen, die ihn leserlich machen.
2. März 2013 13:37
 
 
	
 
Andreas Louis Seyerlein
MELDUNG. Drei Kakteen [ Gattung – echinocereus coccineus xdl — 77 ] haben fünfzehn Uhr zweiundzwanzig MEZ zwölf Pfund filigranes Stachelhorn auf flüchtende Laboranten geschossen. [ MPI für Biotechnologie, 5th floor : Labor IIId-7 : Level 4 ] – stop
> particles
2. März 2013 07:55
 
 
	
 
Gerald Koll
die wolllust des taxifahrers beim ausbremsen anderer kraftwagen+
die wolllust des abschleppdienstmanns beim anbringen der kralle+
die wolllust des arztes bei der bekanntgabe desaströser diagnosen
27. Februar 2013 17:53
 
 
	
 
Hendrik Rost
Immer häufiger sehe ich Menschen, die ihre Augen verdrehen. Ein Telefon klingelt im Zug: Einer verdreht die Augen. Die Verkäuferin versteht die Frage der Kundin nicht: Sie verdreht die Augen. Ich trete versehentlich auf den Radweg: Der Radfahrer verdreht die Augen. Ein Kind wird laut: Augen werden verdreht. Es hat eine seltsame Wirkung, dies Verdrehen. Die Selbstbeherrschung ist perfekt bis auf die Augäpfel, die sich in den Höhlen verwinden. Ungefragt nimmt sich der Verdreher das Recht, sein Missfallen oder seine Überforderung abschätzig mitzuteilen, eigentlich subtil, aber überdeutlich und immer unangemessen. Es ist für die, die das Verdrehen mitansehen müssen, nicht schön, den anderen derart leiden zu sehen. Ist es so schlimm? Ist das alles wirklich so schlimm?
27. Februar 2013 10:18
 
 
	
 
Markus Stegmann
Der Schnitt der Rosen hamsterte zu viel von seiner Zeit. Im Stadtgarten gingen die Beete aufrecht den Sterbenden entgegen, ohne dass sie sie sahen. Ich hielt meinen Mund zwischen Mütze und Vergessen verborgen. Viel zu schnell wendete sich die Geschichte, zuerst gegen mich, dann aber, wesentlich filigraner, fasste sie nach uns allen, und der Rest brach ein. Warum? Vielleicht erreichten die Erfrorenen vor langer Zeit die Fische, verschluckten, federten sozusagen die entscheidenden Minuten hinter vorgehaltenen Händen, aber bluteten nicht. Warum? Wieso floss ihr Blut nicht, während alle anderen der letzten Woche ihre Knochen nicht mehr fanden? 
26. Februar 2013 22:54