Thorsten Krämer
Hallo Parallelfahrt, hallo Plansequenz: die filmischen
Mittel schweigen still, genau wie die Kanonen: la guerre
est finie, der Trümmerchic ist nur ein Zwischenstadium.
Wo Hoffnung ist, ist Leben; wo Leben ist, geht es
vorbei: Sieh hier den Straßenzug, den Schatten, den der
Müllkorb wirft – ist das nicht Wirkungsmacht der Immanenz?
Sei das Unkraut, sei Graffiti, überwuchere und überzieh.
Sei das, was Rest wird; sei der Anfang, der schon angefangen hat.
8. Juni 2009 16:50
Markus Stegmann
Meterkante Belang vorflutete
betun Mangel Erden daran
solang der geringe Betrieb
blasses Dynamit verlangt
eines der wessen
verdingte ans Kind
gehängtes löste Papier
sodann verschwand
beholfene Bahn
Melanom der Düne
der trug eines lang
immer daran
7. Juni 2009 23:17
Carsten Zimmermann
wie seltsam
diese stätte war:
boden aus sand,
und kiefern,
trockenrindig in den raum
gestellt (und wohl auch krank),
und zapfen lagen,
wie von langer hand verstreut,
und knackten hart,
wenn ich verlornen schrittes
auf sie trat
6. Juni 2009 09:30
Mirko Bonné
Am Morgen kroch wieder der Dunst über
die kaputten Wälder, die geraden Felder,
wo Rotwild herumstand, Wanderer durch
Zerstörung marschierten, Fasane fragten
nach dem Gewicht des Lichts. Espenlaub
im Nieselregen, das sauerländische Fach-
werk auf stumme Landschaft übertragen
oder umgekehrt, und Korrespondenten
Mauersegler, regennass im Lärmen der
Stille, durch die sich in lieblichem Blau
ein Laster (Frische kennt keine Grenzen)
zum Autobahnkreuz schob – alles sagte
Sieh hin, hast du im Kopf keine Augen,
genau so bist du, und du gehörst dir.
*
5. Juni 2009 22:48
Hendrik Rost
Das Eis ist dünn, ich gehe weiter auf den See hinaus,
betrete das klare Wasser, unter mir Algen und Fische,
die sich nicht rühren. Ich gehe bis zu der Stelle,
wo das Mädchen aus meiner Klasse eingebrochen war,
wir haben sie später besucht, die Haut wächsern,
kalt sah sie aus, die Hände gefaltet, getrocknet.
Das Eis ist sehr dünn und es knirscht an der Stelle,
die am weitesten vom Ufer entfernt ist. Ich betrete
die Stelle und bin ihr ausgeliefert. Unten Fische.
Ich stehe auf so dünnem Eis, wie Traum im Schlaf
eine Hülle bildet, auf der sich Dinge abspielen.
Manchmal bricht etwas ein, und ich wache auf.
Ich weiß, die Toten sind nicht schlechter als andere,
sie wissen, wie es sich anfühlt, erinnert zu werden,
sie kennen die Kälte von innen und gehen im Winter
unter die Haut. Ich gehe auf dieser Schicht spazieren
und breche ein Verbot. Das ist mein Versprechen.
Wenn ich aufwache, werde ich klüger sein und wach.
Ich bringe Kälte ans Ufer mit. Ich erinnere mich.
5. Juni 2009 16:29
Sylvia Geist
hiesige himmelsrichtungen
nach zehrschäden und heuschreckenvöllerei zu bestimmen wäre leicht
südliche lebensläufe zu unterscheiden von solchen aus unseren provinzen
ein kinderspiel in jahrhunderten die heimat unserer leibspeisen festzustellen
gäbe es schon methoden. übrig blieben überallkarten in
knöchernem esperanto
vollständiger entschlafen
in einem künftigen smithsonian als im erdarchiv die
vor uns. niemand der sie lesen könnte – besonders nachts
wenn du die ganze straße überblicken könntest weil niemand
dich ablenkt davon reist der glaube weit. aber
nicht allein
zu sein
ist ein zimmer im raum. im dunkel wohin
wir dauernd unterwegs sind die gezähmte landschaft ringsum auch
die blüht ihre große rapsfeldfreude die lautstärke am mittag
und wie es sein kann mit plänen und
auf lavendeltreppen.
Schön, dass Du hier bist, lieber Martin!
5. Juni 2009 14:27
Sünje Lewejohann
schreib tiere.
schreib große worte und kleine,
schreib schnecken ins gras und vögel auf zweige.
schreib all das weswegen und zu ehren von,
schreib all die großen, all die kleinen.
schreib wörter.
das ist, was du verlieren und einbüßen wirst,
was du suchst und tust, was du findest und bist.
schreib deinen aschenen kajak auf den spiegel des sees hinaus mit allem,
was vergessen und verschwunden sein wird,
all das
und dann lass die mätzchen fallen.
(Peter Laugesen, Skriv dyr, Übersetzung: Sünje Lewejohann)
5. Juni 2009 11:34
Björn Kiehne
Salz, Wellen, Sand,
meine gefalteten Hände
fangen den Wind,
flechten den Salzatem
in ihr schlichtes Gebet.
Im Bodden wispert das Schilf,
im Nordmeer singen die Wale,
am Himmel schreibt eine Möwe
mit Federkielen hundert Zeilen
an die Wolken, die Weite, das Meer.
Und könnte ich singen,
bliebe ich doch still.
Und könnte ich schwimmen,
täte ich es doch nicht.
Und wäre auch nur ein Gedanke sinnvoll,
spräche ich ihn nicht aus.
Nur Lauschen,
Rauschen.
5. Juni 2009 10:38
Martin Zingg
Immer erst mal ins innere Archiv,
das ungeräumte, räumen wäre kein Ende:
die Tassen, ja, blaue Landschaften
wie diese, und war so ein Teppich nicht das,
worauf man trat beim Besuch jeweils,
oder dieser Stich, der Dom von Utrecht:
ein Stich in den Himmel über allem,
Stativ einer Zeit ohne Aussicht
Darauf nicht vorbereitet, nicht wahr,
was zufällt, zerfällt, Archivbestand Ich:
Aushub mit Weckreiz, ein Aufhorchen, -blicken,
ist hier denn was zu holen, was denn
4. Juni 2009 21:42