Björn Kiehne
Mehr ist es nicht,
nur Nachrichten aus
der unbewohnten Welt,
die Einsamkeit
der Leuchttürme,
die anstrahlt,
was Gletscher
uns freigeben:
allmähliche Wesen,
Anfänge und Enden,
den abnehmenden Mond
an unseren stillen Stränden.
15. März 2020 15:09
Björn Kiehne
Auch das gebe ich bald auf,
keine Angst vor der Stille,
all die verbrauchten Wörter
am Wegrand zurücklassen,
Spazierengehen mit Blick
auf die leuchtenden Berge.
24. Dezember 2019 07:43
Björn Kiehne
Die Pappel im Hof
rauscht wie das
Meer,
aus dem Himmel tropft
Blau.
Wir sitzen einander
gegenüber,
ich,
ein Archiv
unveröffentlichter
Geschichten,
du,
der Reiseführer
in eine unsichtbare
Stadt.
Wir fragen uns,
wie viele Menschen
wohl jetzt
wie wir
in der Küche sitzen,
den Herbst einsammeln,
in die Fensterbank legen,
sodass das Licht
mit ihm spielen kann
27. September 2019 11:03
Björn Kiehne
Du hast ein schweres Herz
hat man mir gesagt
geh niemals schwimmen
du ertrinkst
Aber ich bin in immer
kleinere Häuser gezogen
leichter geworden bis ich
in diesem Körper ankam nur
noch den Geist als Fenster
Ich riss es weit auf!
Nun liegt er vor mir
die Inseln wie Trittsteine
in seine Freiheit
der sechste Kontinent –
das strahlende Meer.
Samos, Sommer, 2019
11. Juni 2019 10:05
Björn Kiehne
Auf welchen Wegen
kam ich hier her,
was blieb von dem Jungen,
der durch die Gerste strich,
der versuchte den Wind zu lesen
im wogenden Korn.
Was bleibt jetzt zu tun,
der Körper löst sich auf,
die Pläne stolpern übereinander und lachen.
1. Die Geschichte weitererzählen,
2. ein Zuhause finden zwischen ihren Zeilen,
3. die Vögel fliegen lassen, wenn die Zeit gekommen ist.
Auf welchen Wegen kam ich hier her,
was kommt nach dem Jungen,
der durch die Gerste strich,
mit ihren Halmen
schreib ich mich
in deine schönen Hände.
Kushinagar, 2019
23. Februar 2019 07:03
Björn Kiehne
Schön diese Zeit bevor die Stadt aufwacht,
die Sterne verabschieden sich am Himmel,
das Licht legt nicht alles offen,
man sieht noch nicht zu viel.
Auf dem Turm der alten Schule gegenüber,
zieht ein Adler den Kopf aus dem Gefieder,
blickt über die schlafenden Straßen, zögert.
Die Luft riecht nach brennenden Büchern…
Am Rand der Stadt, dort wo die letzten
Häuser sich verlieren, lodert der Wald.
Adler, breite weit deine Flügel aus,
flieg mit mir über die stillen Lande,
bring mich früh genug hier raus.
9. November 2018 07:52
Björn Kiehne
Am Ende der Straße
liegt das Café,
der Abend ruht sich
auf der Markise aus,
ein müder Wind
weht Blätter hinein,
Briefe aus der Vergangenheit.
„Wo wir sind, ist immer Sommer“,
flüsterst du und lächelst;
„Wo wir sind…“, beginne ich
und schweige,
als der Vorhang der Nacht
sich senkt und,
aus dem Faltenwurf
seiner Stille,
der Mond aufsteigt,
mildes Licht über
die Erinnerungen gießt,
über uns, über das Café,
über all die Jahre in
der Mondscheinallee.
Für Connie
23. September 2018 12:58
Björn Kiehne
Im Salzwasser schweben,
Zeilen wie Nabelschnüre,
Dinge, die voreinander fliehen,
mit Tang an einander binden.
Zusammen mit dir und den Wellen
ein Lied anstimmen, verbunden
und genährt, der Sonne zu-
blinzeln wie einer Vertrauten.
Teile unserer gemeinsamen
Erzählung, treiben wir auf
dem Meer, bis die Wörter
nicht mehr zueinanderfinden.
Was geschieht, was lockt den
Sturm in unsere Bucht, was
trennt die Silben, was lässt die
Wellen zu Brechern werden?
Die Wellen sagen: Schwimm!
Streich dir das Alter aus dem
Gesicht, erinnere die Einsamkeit
wie ein vergessenes Lied.
2. Mai 2018 05:30
Björn Kiehne
Ablandiger Wind
treibt mich aufs
Meer.
Ich schwimme
in die offene See,
hoffe auf das
Archipel der Wörter,
die Blauen Inseln,
in deren Dünen der
Ginster brennt.
Verzeih, ich kann
nie anders, als die
Ufer laufen zu lassen,
dich stehen zu lassen
am Strand.
Ich schwimme
in die offene See.
Ablandiger Wind, Du
entzündest die Dünen,
treibst mich aufs Meer.
1. Dezember 2017 10:04
Björn Kiehne
Ich weiß, es ist einfacher,
wenn wir uns nicht
gegen die Wellen wehren –
unsere Worte liegen wie
entfernte Inseln im Dunst,
Ponza, Palmorala, Ventotene;
in der Steinmauer öffnet sich
die Mittagsblume, die Vögel
kommen, um zu schweigen,
und mit der leuchtenden
Tinte des Thyrrenischen Meers
schreiben wir uns Zeilen,
die einander lange schon
kennen, wie, weißt du
noch, erinnerst du dich?
Bis Wind aufkommt, der
Geruch von fallendem Regen
durch unser Gespräch zieht,
die Mittagsblume sich um
diesen Tag schließt, ihn schützt
vor dem kommenden Sturm.
3. Juli 2017 09:59