Mirko Bonné

Mit dem März

Mit dem März kam der Regen,
der Winter schmolz weg. Ein Taxi,
das hielt, stoppte in Wasserlachen,
die U-Bahn war Lichterschlange und
kroch durch die Fäden. Mit dem März
hörte ich auf, um alles Angst zu haben.

Welchen Wein du trinkst – falls Wein -,
der Winter geht zu Ende. Und das Taxi
fährt los, durch die goldenen Pfützen.
Die Bahn ist längst Hudtwalckerstraße,
Bäume, Leute im Regen. Mit dem März
glaubst du nicht mehr, Panik sei gastlich.

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16. April 2012 09:14










Mirko Bonné

Widerstände

2 – Emily Dickinson:

Ich wohne in der Möglichkeit –
Ein schönres Haus als Prosa –
Denn sie besitzt mehr Fenster –
Die Türen – sind viel größer –

Hat Räume wie die Zedern –
Fürs Auge ein Gewimmel –
Und als nicht Einstürzbares Dach
Die Wölbungen des Himmels –

Hat Gäste – nur die schönsten –
Und nichts zu tun – bloß Dies –
Die weit gespreizte schmale Hand
Pflück mir das Paradies –

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6. April 2012 21:47










Mirko Bonné

Widerstände

1 – Julio Cortázar: „Einige waren bescheiden und hielten sich nicht für unfehlbar. Doch selbst der Bescheidenste fühlte sich sicher. Das war es, was mir auf die Nerven ging, Bruno, daß sie sich sicher fühlten. Sicher welcher Sache, möchte ich mal wissen, wo ich, ein armer Teufel mit mehr Seuchen unter der Haut als der Leibhaftige selbst, hinreichend beieinander war, um zu spüren, daß alles wie Gallert war, daß alles um uns herum wabbelte, man brauchte nur ein wenig aufmerksam zu sein, ein wenig in sich hineinzuhören, ein wenig zu schweigen, um die Löcher zu entdecken.“

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1. April 2012 20:00










Mirko Bonné

Die Seine bei Bougival

Es ist bloß ein Augenblick,
aber was für einer? Kastanien
am Ufer entlang, Frachtkähne
und die Brücke über die Seine
bei Bougival. Sommermoment,
und einer am Wegrand malt.

Es ist Sisley. Ein Stück flussab,
bei Port-Marly, arbeitet Monet.
Sisley mag die Kronenschatten,
vielleicht weil sie ihn verwirren.
Da, die Vögel sollte er malen,
aber sie sind ihm zu schnell.

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21. März 2012 11:22










Mirko Bonné

Lucio Dalla 1943 – 2012 – \"Quale allegria\"

2. März 2012 10:40










Mirko Bonné

Kehrwiederspitze

Die sternbildlosen Jahre,
die ich hier saß und weiterlief,
ist mir nie irgendwer begegnet.
Und pausenlos hat es geregnet.
Als ob ich träumte und nicht schlief.

Minuten lehnte ich an dem Geländer,
und mir war gut. Nichts kam zurück,
die Spur, das Spurverwischen,
schon lange bei den Fischen
in einer See aus Missgeschick.

Dreihundert Tage Regen, Regen
zu jeder Tageszeit, die ich hier sitze
und auf das Frachterwasser sehe.
Die graue Ferne, graue Nähe –
du, Elbe, ich, Kehrwiederspitze.

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22. Januar 2012 21:33










Mirko Bonné

Letzte Datei

Winterblau, löwenfarben
zittert der Kalenderrest
schnell, schnell.

Br … Möwenraben
hacken in den Schnee
ihr simples html.

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Allen Fischen, allen Fischern eine gute Zeit!

31. Dezember 2011 17:44










Mirko Bonné

303

Die Seele sucht sich die Gesellschaft selbst –
Und – schließt die Tür –
Für die erlauchte Mehrzahl ist –
Sie nicht mehr hier –

Sieht ungerührt – dass Kutschen stehen –
Vor ihrer Pforte –
Sieht ungerührt – den Kaiser knien
Auf ihrer Matte –

Ich sah sie – aus Nationen wählen –
Bloß Einen –
Schon – schloss sie ihre Zuwendungsventile –
Wie Stein –

Emily Dickinson

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27. Oktober 2011 08:41










Mirko Bonné

Hope Park

Über Edinburgh wurde es Nacht,
und ich war allein in East Mayfield,
an einer leeren Straßenkreuzung
zwischen afghanischem Takeway
und zwei dunklen Friseursalons.
In der Tasche hatte ich die Pfund
für ein Sandwich und Dosenbier
und die Faust geballt vom Glück,
mitten durch mein Leben zu gehen.

Da rannte zerzaust von den Böen
atemlos ein dicklicher Junge vorbei,
Handy am Ohr die Böschung hinab,
überholt vom Heulen und Blaulicht
einer Ambulanz, die vor ihm einbog
in die Straße am Park. Der Hope Park
da unten war das nachtschwarze Meer.
Und der Junge lief ins Blau wie ein Ball
bei Sturm über den leergefegten Strand.

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30. September 2011 09:07










Mirko Bonné

Rhyl

„The Greatest Circus on Planet Earth“

Das Meer und der abgegrabene Strand,
die alten Hotels der Promenade, leer,
ausgestorben Spielhallen, Spaßbuden.
Die Wirklichkeit in Rhyl –, elektrisch,
offshore eingespeist in ein von jeher
erloschenes Netz. Das Hohngelächter
der Seemöwen, Untergangsunterhaltung.

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21. September 2011 10:28