Mirko Bonné
6 – Farhad Showghi: „Die Stille war eine Hosentasche und keine Lüge und ist kurz da gewesen. Jetzt aber fahren Autos vorbei aus allen erdenkbaren Gründen, es legt sich ein Rauschen dazu, Kinder rufen und ich habe nur noch eine Hosentasche und eine Hand. Ich werfe einen Blick in den Himmel, ziehe einen Pullover an. Der Pullover hat die Wahl Pullover zu bleiben oder rechts Wolke mit Birken auf Brücke zu sein. Wäre ich jetzt selbst Pullover, würde ich die Entscheidung hinauszögern bis zum Horizont. Und ich frage mich, was aus der anderen Hand geworden ist. Hätte ich doch schon Wolke mit Birken auf Brücke an. Läge mir die Stille den Unterarm.“
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2. Juni 2012 14:14
Mirko Bonné
5 – Peter Handke: „Er suchte zwar den ganzen Platz ab, blickte in die anfahrenden Autos, aber das war nur noch eine Formsache. Das nicht Ausdenkbare war um so fürchterlicher wirklich. Er wollte sofort wahnsinnig werden, als sei das die letzte Rettung. Nur im Wahnsinn wäre alles rückgängig zu machen, und DIE TOTEN WÜRDEN WIEDER LEBENDIG WERDEN! Man könnte für immer mit ihnen zusammen sein, ohne Todesgedanken … Doch statt daß es ihm gelang, sich in einen Wahnsinnigen zu verwandeln, stellte er es sich nur ohnmächtig vor. Er blieb gräßlich wach. Seine Händen tasteten selbsttätig, mit einem unbekannten Genuß, überall im Gesicht die Knochen ab. Er nannte dem Parkwächter ruhig und besonnen, wie dieser später sagen würde, seine Adresse, sagte, er wolle die Polizei verständigen, und machte sich auf den Weg quer durch die Stadt nach Osten.“
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Siehe dazu auch: Die weiße Seite
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Im Andenken an Käte Mint, 22. Mai 1920 – 12. Januar 1998
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22. Mai 2012 21:07
Mirko Bonné
Da schweben sie hin und staunen
sich ins Gesicht. Da ist Leben aus
dem Häuschen. Ich glaub, ich möcht
für immer sein dein Freund. Hände
um den Mate-Tee. Man geht vorbei,
so wie alles irgendwie vorbeigeht,
aber es bleibt ja immer die Liebe.
Und der Sinn des Ganzen? Keiner.
An einem dunklen Fenster stehst du
und rauchst in die Nacht. Gelächter
in einem Hof. Die letzten Maschinen
landen in Tegel, und nicht weit weg
wohnte Dora Diamant. Zeit vergeht,
die Pergola blüht. Wieder Sommer.
Für Gerald Koll
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14. Mai 2012 21:06
Mirko Bonné
4 – Animal Collective
Animal Collective \"Sleeper Factory\"
His voice (…) conveys the emotional impact of the rhythm and harmonies, which is what A(nimal) C(ollective) is all about. It’s tribal in that the sound is meant to be acted on and SCREAMED. (kosigan86, gepostet auf youtube)
Animal Collective \"Summertime Clothes\"
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10. Mai 2012 20:53
Mirko Bonné
3 – Mati Shemoelof:
Mein toter Vater
Die Briefmarken sammelten die letzten Tage
meines Vaters in Ländern die
er nie bereiste,
er legte sie in die Wasserschale seiner Seele
und löste sie vom Umschlag der Vernachlässigung
in den Arbeitervierteln der Stadt Haifa,
die Krakenarme staatlicher Behörden
aber gaben die Marke nicht frei
und als Kainsmal blieb die schwarze
Tinte.
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30. April 2012 16:28
Mirko Bonné
Mit dem März kam der Regen,
der Winter schmolz weg. Ein Taxi,
das hielt, stoppte in Wasserlachen,
die U-Bahn war Lichterschlange und
kroch durch die Fäden. Mit dem März
hörte ich auf, um alles Angst zu haben.
Welchen Wein du trinkst – falls Wein -,
der Winter geht zu Ende. Und das Taxi
fährt los, durch die goldenen Pfützen.
Die Bahn ist längst Hudtwalckerstraße,
Bäume, Leute im Regen. Mit dem März
glaubst du nicht mehr, Panik sei gastlich.
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16. April 2012 09:14
Mirko Bonné
2 – Emily Dickinson:
Ich wohne in der Möglichkeit –
Ein schönres Haus als Prosa –
Denn sie besitzt mehr Fenster –
Die Türen – sind viel größer –
Hat Räume wie die Zedern –
Fürs Auge ein Gewimmel –
Und als nicht Einstürzbares Dach
Die Wölbungen des Himmels –
Hat Gäste – nur die schönsten –
Und nichts zu tun – bloß Dies –
Die weit gespreizte schmale Hand
Pflück mir das Paradies –
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6. April 2012 21:47
Mirko Bonné
1 – Julio Cortázar: „Einige waren bescheiden und hielten sich nicht für unfehlbar. Doch selbst der Bescheidenste fühlte sich sicher. Das war es, was mir auf die Nerven ging, Bruno, daß sie sich sicher fühlten. Sicher welcher Sache, möchte ich mal wissen, wo ich, ein armer Teufel mit mehr Seuchen unter der Haut als der Leibhaftige selbst, hinreichend beieinander war, um zu spüren, daß alles wie Gallert war, daß alles um uns herum wabbelte, man brauchte nur ein wenig aufmerksam zu sein, ein wenig in sich hineinzuhören, ein wenig zu schweigen, um die Löcher zu entdecken.“
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1. April 2012 20:00
Mirko Bonné
Es ist bloß ein Augenblick,
aber was für einer? Kastanien
am Ufer entlang, Frachtkähne
und die Brücke über die Seine
bei Bougival. Sommermoment,
und einer am Wegrand malt.
Es ist Sisley. Ein Stück flussab,
bei Port-Marly, arbeitet Monet.
Sisley mag die Kronenschatten,
vielleicht weil sie ihn verwirren.
Da, die Vögel sollte er malen,
aber sie sind ihm zu schnell.
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21. März 2012 11:22