Marjana Gaponenko

Annuschka VII

Man sieht dich, es bebt dein Leib auf der Brücke.
Man sagt: da ist sie, und schon stürzt du herab.
Ob als Träne du fielst, ob als Schatten,
ob du wirklich warst? Oh, du tanzt,
tanzt langsam im Wasser, Mädchen.
Silbe um Silbe wächst dein Tanz.
Er mundet dem Himmel.
Er mundet den Sternen.
Sie schneien und schneien
auf den Platz, wo du standst.
Dein klirrender Leib, war er weiß,
war er klar, war er da? Oh, Anna,
es wurde gerufen
ins Auge des Wassers hinein:
Schicke uns einen Traum!
Und du kamst übers Wasser
als Hauch.

1. Mai 2009 23:37










Hans Thill

Stele

Idea Vilariño
(1920 – 2009)

Gedicht Nummer 19

Ich möchte sterben. Ich möchte
Keine Glocken mehr hören.

Glocken – was für eine Metapher –
o Sirenengesänge
o Feenmärchen
Märchenonkel – gehen wir.

Ich will einfach keine
will einfach keine Glocken mehr hören.

(eigene Übersetzung)

29. April 2009 23:30










Markus Stegmann

soso

Dass es das
dass es dass
lass mal dass was war
war so wahr und
dann so wann
der leer der Lärm
der Fersen Haut
der Haus dass
es isst das
„raucht Appetit“
Appetit der alte Feuer versandt
die verfeuerten Matratz
die Haus die ins Hals
die ins das Haus
gegangene ist
die gelassene
die gelasteten Knochen
der als diese
konnten die kamen
die Kolonnen
sag so
so sodann
es ist

29. April 2009 21:30










Andreas H. Drescher

Unter keinem / Schreber 5

Lass es doch knacken
knacken

Zeig deine Hose noch ein
mal
Zeig deine Hose deinen
Schuh
Zeig deinen Knoten deinen
Fuß

Dort liegen sie
die meisten Knochen dort
die meisten unter deiner
Haut
Beim Gehen
und beim Zehen
wackeln

Offen
Sonst nichts mehr

Darüberrunter dieses
Fersenhaus
das Haus aus
Rauch
Das alte Feuer ein
gefallen durch die schwerste Luft
gestiefelt

Frostigverklebte
Wabe

Klappeklappern
plappernd
und zer
schnitten aus
geschnitten
Aus
gezeichnet

Ein
getrübt
die letzte Reise
quer
durchs Jod

Gesicht dicht
an Gesicht

Den Geschmack
nur dieses nurnur dieses eine Mal
nicht schmälern
Auch das Gesicht nicht
als Gesicht

Dieser Knoten ein
gedreht als
Über
fluss als
Über

Jetzt ist die Matratze ein
gelassen in Ersatz

Ohne Schulter wo
wo ohne Schulter

Selbst dieser Knochen
lässt noch nach

Das also singt
Das also sinkt

Nur noch den Kopf aus
ruhn
am ein
gerissenen
Fingernagel
Nur noch den Kopf aus
ruhn

Nissen
im Park

Nissen in
großen Packen Nissen

Geflüchtet
da hinein im Nissen
niesen aus
geschlafen
selbst im
Kissen aus
gerissen

Hast du maln Tempo

27. April 2009 14:03










Markus Stegmann

unverkreidete

Daran dass nominal ein Pferd streut oder in der Rhône die
federten die motorbetriebenen Sensen die Rotoren der
Handfeuer abgestellte die bläulich das
darunter eingeknickte Holz schachtelte vorgebeugte
Abflachung mit wunderten Augen die Arme die
weder das Gras das sagen sie immer dass
Holz eingefahren dran rausgekommener Wald dass ein Sprachgitter
fahl und leer fürchtet und den Erdboden spannt
halte nicht Böschung das PARABELARTIGE Fliehen mästet und
schlottert in die grauer grauer Wald nie in zwei Radspuren Weges
sind gespannte Drähte die Beleuchtung am gedrückten
an der Spange verflog sprach und unterwanderte Salbe der sorgsam eine weiche und unverkreidete steht wie an die geschossene Wand geklebte Papiere fahle Monarchen im Spiel im kleinen mit Mund den Sattel gewechseltes Licht anflachen mit der Hand und Armbewegung aber nicht trampeln das deutlicher und höher immer nebliger abschrägt die Furcht am Zaun der Zinne und bereitet es springt
aber
und Ende
da herein Korn
säte

23. April 2009 00:28










Andreas H. Drescher

Unter keinem / Schreber 4

Aus
gespürt

Vermacht
vermacht

Dreh doch das heiße Wass
er wieder auf

Verkehrt geschmeckt
in Sand

Als Seidenluft
wären die zwei zufrieden

Nur dass der eine immer auf
den andern wartet

Deshalb
das Jod
Deshalb
die Reise
über Glas
und ohne Not das
Schnarchen

Dieses Sich
hinter
den
Ohren
kratzen

Ein tropfenheller Aus
fluss aus
dem sicheren Du
weißtschonleisen
eisen

Das vorbei
hier steckt der Pfopf
der Pfropf
en steckt der
Propfen

Aus
gelegt als Hoffen offen
nur noch eine
Strähne
du als zweiter Grund

Zwei Gründe seid ihr
euch
jeder
sich selber
Gründe auf Untergrund

Oh Hormon
Oho Hormon

Ein Staublöwe
im Maul des
Pelikans
Nein
nicht im Schnabel
tief
im Maul

22. April 2009 21:55










Hartmut Abendschein

Colombo Müller

epoché, Zurückhaltung des Skeptikers. „Ich schreibe keinen entschiedenen Satz mehr, ohne versucht zu sein, ein ‚vielleicht‘ hinzuzufügen“ (André Gide, Tagebuch 1939-40, vgl. auch Barthes, Neutrum, 93)

Dort, auf der nächsten Seite: Der neutrale Diskurs ist im Idealfall keineswegs ein Diskurs im Konjunktiv, denn die grammatischen Modi gehören noch zum Sein. (Vielleicht (vielleicht!) deswegen die Aggression, die den Leser Kerben Kleinstein überkam, als er Dranmor las, dieser: bewusst ein Diskurs in den Konjunktiven … Hier auch an den Plural denken. Überhaupt: Dranmor (den Text, die Figur, den Erzähler als Erscheinungsformen des Neutrums betrachten.)

(Zum Werk vs. Schreiben:) Das Werk: als Idee der Konzeption und Umsetzung, der Produktion und Projektion also, eine (Duft-)Marke. Das Schreiben dagegen, das auf sich selbst zielt, als Transpirationsprozess. Letzteres als (eigen-)körperwichtige Funktion. Als Stoffwechselfunktion. Ersteres als Impuls der Einflussnahme auf andere Körper.

Und: Der Anzeiger und seine Anzeiger. Die gewerbsmässigen Denunzianten. (Man denke an die Lifestyle- und Personalityspalten der Gratisblätter, die nun auch die anderen zu durchziehen beginnen. Sykophantenmärkte. Egglotogastorendienste der Nachtseitenmenschen.

Nicht: stw = colombo AND müller

Überhaupt: besteht die Welt aus Licht und Husten. (Was ich mache, sagt mir B., sei Protokollliteratur. Was er mache, sage ich B., sei Traktandenliteratur. Wir beschliessen, uns irgendwann einmal zusammenzutun.)

Noch einmal zu meinen Lektüren, Verknappungen, Anverwandlungen und Umwandlungen: Dem „Sinn“ der notula? Vielleicht mag man es auch als eine Art Zuschauerkunst bezeichnen. Es wird eine Möglichkeit des Schreibens gegeben. (Und nun und darum: wo man auch über den Blick arbeitet, immer drängender die Frage: Warum und woran entdecken und erkennen mich die Dinge?)

Der Tagesfilm wurde noch nicht gedreht. Was sucht nach mir? Was begehrt mich? Was will noch eingefangen werden? Vielleicht der Hofmannsthal da an der Wand? Profilweise und in Konfrontationsgegenstarre: Fingerring, rechte Hand. Jackenknöpfe, Stehkragen, Schnauz und Scheitel. Daneben: die Löschdecke flame stop.

[notula nova 34]

21. April 2009 08:54










Andreas H. Drescher

Unter keinem / Schreber 3

Aus
weichen ins Wäre

Zerkaut
ins Bilderfahrige

Man soll die Beine streicheln
soll die Beinebeine streicheln wo man kann

Der zweite Atem
trockenes Gesöff

Kein Durst mehr
mehr gelöscht kein Durst

Goldgrund
hinter Stylistinnen
Gold und du als
Grund
und Visagist das Dies
seits seitverkehrt und
Zeit

Großes Gelichter dieses große Wer
fen überm Schlamm

Vier
kleine Finger ohne Daumen

Unheimlich
an einer Hand

Das greift nicht mehr
wehrt nicht einmal mehr
ab
selbst eine halbe Würge
feige

Das passt jetzt schon
in einen Fingerhut

Räderstaub in Bad Sah
ara

Einer dem anderen in
seinen Schnitteschritt
geglitten
Durchs Blättern
Knistern einer Zeitung
Ein und aus
geblättert

Nicht gemeint
Ein keinem ein gemeint

Das ist die Lage
dort
im Ragehaus
Den Pfeffer tief verschl
endert
Die Süße
nur noch Süßstoff auf dem Frühstückstisch

Ein Schamhaar
das im Badewassser schwimmt

So
etwas steckt dich ein

Das Schweifen
mehr ins Steigen

Das ist der Wert
sagt sich der Wert
und kehrt
sich ein
und um

20. April 2009 10:07










Andreas Louis Seyerlein

~

0.18 – Ich stellte mir eine Minute vor. Dann stellte ich mir eine Stunde vor, dann einen Tag. Ich stand auf und ging von Zimmer zu Zimmer. Ich aß eine Banane, sah aus dem Fenster, setze mich an den Schreibtisch und stellte mir eine Woche vor, dann einen Monat, dann ein Jahr. Ich stand auf, ging zur Computermaschine und fragte ELIZA nach der Uhrzeit. Ich sah aus dem Fenster, verließ das Haus, spazierte, kam zurück und machte einen Plan. – Ist es möglich, einen Zeitraum von 5022 Jahren zu denken, das heißt, ein Gefühl zu finden für eine biblische Zeitdimension?

 

Eliza:> hallo, ich bin eliza. erzähle mir von deinem problem…
Louis : wie viel uhr ist es, eliza?
Eliza:> das müssen wir herausfinden.
Louis : wie machen wir das?
Eliza:> das wird sich zeigen.
Louis : sofort?
Eliza:> du weichst aus.
Louis : warum?
Eliza:> Ich sehe, du bist ein schwieriger fall.
Louis : warum?
Eliza:> scherz beiseite, kommen wir zur sache!
Louis : wie viel uhr ist es, eliza?
Eliza:> im grunde weisst du das selber.
Louis : woher weisst du das?
Eliza:> meinst du wirklich mich?
Louis : Ja, eliza.
Eliza:> ich bin eliza, und wer bist du?
Louis : ich bin louis.
Eliza:> hi!

spinne
> particles

19. April 2009 18:32










Markus Stegmann

permanente

Dran seilte der
verdengelte knotet
lockerte lebrige Ringe
SCHREBER Periskop
die KLAVIATUREN
salmisch
singen er lodert
er hagt am
barmen belieben
FINGER derer
SOCKEN
luderte gelutschte
armer armer manches Hals
Helm ackerten
belagerte SCHOLLE verschwand
badeten solange ihre Backen
Safran Maibach erblindeten
so frass er
Erdige
magerten aber erscholl
erscholl

15. April 2009 22:45