Andreas H. Drescher

Der Altruismus auf Tuch
Fühlung mit dem Schützen

Ein See verschwunden
Ein See aus Federn in

Die niemand mehr bläst
Die niemand mehr braucht

Verdunstet in der Nacht des
Schützen auch die Taschen

LAMPE

(Antwort 4 auf Mathias
Jeschkes „Luftstudien“)

15. September 2016 08:58










Mirko Bonné

Bojendorf

Das Dreieck Garten,
Bug im knisternden Laub,
ein Erlenschoner vorm Wind.
Halt Kurs, auf die Inselränder!
Dein Schiff, die alte Trübsal,
hat fünfzig Birnenkanonen,
Mauersegler folgen ihr,
Seemöwen melden: Herz!
Land! Schwalben schießen
durch die Scheune aus Bläue,
in der nachts die Fehmarner
die Sonne wegsperren.

Ein blasser Klüver
wächst aus dem Rasen:
die Stockrose. Wer meutert?
Lass die Korsarenerinnerungen.
Wieso will keiner tanzen?
Es gibt Wogen, die
sind tiefer und wilder
als alles zu Beweinende.
Vorm Gartenbug eine Stoppeldünung,
Füchse und einundfünfzig Sommer. Schau,
die Pracht, das Silber, das Schäumen
auf dem himmelgrünen Gras.

Für Hendrik Rost

*

14. September 2016 12:04










Andreas H. Drescher

In winzigen in immer winzigeren Näpfen geht es berg
an In Näpfen voll von Wladimirs zerstampftem Fahrrad
helm Im Anflug eines Sonnenbrandes über die über die
Grenze soll das Was Nur noch die schwarzbraunen Auf
drucke fehlen Die Aufdrucke sind doch das Wichtigste

Dein Helm aber ist auch nicht anderes als einer dieser

NÄPFE

(Antwort 3 auf Mathias
Jeschkes „Luftstudien“)

10. September 2016 09:11










Hendrik Rost

Mandelstam

Ich wende den Stamm des Baums, der letztes
Jahr im Garten stürzte. Unten fällt eine Schicht
Asseln von dem Holz, das sich schon zersetzt.
Alles Winzige flieht schnell aus dem Licht,
langsame Würmer, flinkere Tausendfüßler
und Sammetmilben, die wie eine Markierung
durch das Gemenge sputen. Der Künstler
wollte Älteres anders äußern. Verwandlung
beginnt mit dem Fallen und das Entstehen
neuer schwarzer Erde ist Spuk von Fressen
und Ausscheiden und wieder Verzehren …
Und dazwischen wie von der Leine gelassen
die roten Milben. Der Baum ist für die Viecher.
Sturz wird zu Boden, Blätter werden Bücher.

Für Mirko

9. September 2016 12:53










Martin Zingg

Gelbe Nachmittage

Seine Zeit ist knapp, sie ist es immer, aber unterwegs nach Hause oder zurück
Zur Arbeit bei Hartford Accident and Indemnity Co. fällt ihm doch einiges ein,
Le monde de mon oncle, es reicht eine gestohlene Minute,
Oder nach dem Abendessen, wenn er die Zeitung liest, the never-resting mind.

Sentimentalität, notiert er, ist ein Versagen des Gefühls. Ist er in Dreizehn Arten
eine Amsel zu betrachten
nicht sehr genau? Und sehr witzig?
Man möchte ihm alles glauben, was er noch sagen wird,
Ohne den Rest zu kennen, a child asleep in ist own life.

Gelbe Nachmittage besingt er, besingt würde er streichen, im Rücken
Die Akten eines Falles, der noch immer ein Fall ist,
Er wird heute länger im Büro bleiben,
Und weiss von keinem Wort so recht, wie es in seine Verse kommt
then there is nothing to think of. It comes of itself

7. September 2016 17:31










Christian Lorenz Müller

DAS GELÄUT DER VERZINKTEN EIMER

In der Nähe von Abakan in Südsibirien leben viertausend Menschen mitten in der Taiga.
Als Anhänger eines ehemaligen Ikonenmalers, der sich als Reinkarnation Jesu Christi sieht, sind sie dazu angehalten, ein möglichst autarkes Gemeinschaftsleben zu führen.

I

Das Haus: Vier zum Rechteck gefügte Flöße.
Durch die Fenster wogt der Wald herein
wie durch Lecks.
Winters gischtet der Schnee durch den Garten,
der Rauch aus dem Schornstein
lotet den Himmel aus.

Und immer inselt der Glaube.

II

Täglich hinunter zum Fluss,
das Geläut der verzinkten Eimer
in den Fäusten, und jetzt, im Sommer
die Sonne als Klöppel.
Die Eimer glucksen, ihr Schwanken
an den ausgestreckten Armen
als es das steile Ufer hinaufgeht:
Der Mensch als ein Turm
an dem die Glocken hängen
die ihn zu sich rufen
oder auch nur zu dem Vordach
unter dem der Waschzuber steht.

Vielleicht verklingt die Klarheit
schon beim Gebrauch der Kernseife,
verklingt, wenn der Rücken schmerzt
und die Hände brennen.

III

Jeden Morgen, wenn du anspannst:
Dieses Zaumzeug der Autarkie,
diese Fahrt in die Freiheit
auf einem Wagen
der durch Schlaglöcher bockt.

Deine Lichtung in der dunklen Taiga,
das Heu, das so duftig-leicht auf der Wiese liegt,
das so drückend schwer wird
wenn es sich auf deiner Gabel bauscht.

Abends kein Trab mehr, Schritt
und unter dem Hintern
federt das Heu eine Müdigkeit herbei
die dich einnicken lässt.

Du weißt, wovon du träumst.

IV

Sonntags blendet das heiße Wasser
der Banja deine Haut.
Eine halbe Stunde lang
bist du blind für das Gemüse, das geerntet,
den Schuppen, der gebaut werden muss.
Die Seife erhellt deine Glieder
und dunkel verrinnt mit dem Schweiß, dem Staub
auch die Angst zwischen den Dielen.

Dein Erlöser ist aus rostigem Blech,
er verlangt nur ein paar Scheiter,
und du sagst, dass du danach
immer hinunter zum Fluss gehst, auch winters,
wenn dich der Dampf gen Himmel entrückt
und dein Haar zu Reif wird.
Du sagst, dass du trotzdem niemals zögerst
wenn du am Ufer stehst,
dass du es fast schon genießt
wenn die Kälte dich umkrampft.

7. September 2016 10:27










Thorsten Krämer

Sobald dieses Gedicht zu husten anfängt, fliegen
vor meinem Fenster die Tauben auf. Sie fliegen
mit einer nüchternen Eleganz, die den Hustenreiz

des Gedichtes noch verstärkt. Sein trockener Hals
erodiert zu einer Wüste, in der Krankheitskeime
die einzigen Überlebenden sind. Ein bisschen wehleidig

ist es schon, dieses Gedicht, was den Tauben so was
von egal ist.

7. September 2016 07:48










Hendrik Rost

Realismus und Herbst

Sprache fällt immer weiter aufs Land.
Fällt wie Eichkatzen aus den Bäumen.
Im Geäst leuchten alternde Pflaumen,
abends ruht alles, auch der Verstand.

Die Kinder waren Phrasen erlegen
in der Stadt beim Museum der Ideologien.
Müde Rückkehr, gesammelte Kastanien.
Fast hätte ich mich Fakten ergeben.

6. September 2016 14:18










Karin Fellner

Das Paar durchfährt Rot, eine Rot-

Verschiebung durchfährt sie*ihn*es.

//

Jetzt steigen Knoten auf, Schnittpunkte ihrer Bahn

mit der Bezugsebene, die Ebene flattert und singt:

Guckt euch nicht um und und und

mittenlufts steht ihr –

//

Eins nimmt die Zunge ab und zündet sie an.

Eins legt das Lid auf und sinkt.

//

Da und weg, heißt es jetzt. Was seid ihr, wart, werdet euch?

Andere Grundformen finden, allesamt finden sie statt.

In Turbokolor er*sie*es: mehrzellig aufgegangen.

//

Ja, die Knochensägen. Die gibt es. Jetzt wird das Paar

bewegt in elliptischen Kurven, mit einem zusätzlichen

Punkt im Unendlichen und

das ist nur eine eine

mögliche Übertragung

5. September 2016 14:55










Tobias Schoofs

BURKINI

dies gedicht ist keine muslima
es hat überhaupt kein bekenntnis
es hat auch kein geschlecht es ist

stets verhüllt und meistens nackt
es geht nicht zum abendmahl es
ist nicht getauft und nur wenig

beschnitten es verwandelt sich
laufend so ist das gedicht anders
ist es nur in der vorstellung und

in gewissen anderen texten davon
sind einige allerdings gesetz

2. September 2016 20:08